Ein Hamburger Kaufmann

Nachruf auf Heiko Peters – Die Arbeit, nicht niederdrückende Last, sondern eine Art Sport – Durch und durch hanseatisch geprägt – Rhetorisch begnadet Freiheit und Recht verteidigt – Die Opfer politischer Verfolgung auch eines Rechtsstaats – Zum staatlichen Rechtsbruch nicht geschwiegen – Das traditionsreiche Handelshaus weiter vorangebracht

Wir alle sterben. Aber viele sterben zu früh. Einer von diesen ist Heiko Peters. Seit dem 22. Oktober lebt er nicht mehr. Wer ihn fragte, wer er sei und was er beruflich mache, erhielt stets die so bescheidene wie selbstbewusste Antwort: ein Hamburger Kaufmann. In beiden Worten klang Stolz mit: ein Hamburger zu sein und ein Kaufmann, ein selbständiger Kaufmann. Auf diese Selbständigkeit hat er großen Wert gelegt. Sie bescherte ihm berufliche Freiheit und die Genugtuung, es mit ihr zu etwas gebracht zu haben: zu geschäftlichem Erfolg, zu finanzieller Unabhängigkeit, zu Ansehen. Dieses Ansehen ist untrennbar verbunden mit seiner persönlichen Art: zuvorkommend, gradlinig, offen heraus, heiter und mit einem herzhaften Lachen ausgestattet, wenn man mit ihm im Gespräch über die Kuriositäten und Befremdlichkeiten witzelte, die das Leben so bereithält.

Die Arbeit, nicht niederdrückende Last, sondern eine Art Sport

Heiko Peters hat es verstanden, sein unter starkem Wettbewerb stehendes Geschäft nicht als niederdrückende, aufreibende Last zu empfinden, sondern als nahezu heiteren Sport, der Körper und Seele stärkt, der es dem solchermaßen Gestärkten ermöglich, in sich selbst zu ruhen. Unter seinesgleichen kam es dereinst vor, Geschäfte auch ohne schriftlichen Vertrag abzuschließen und sich trotzdem eisern an das Abgemachte zu halten. Diese Zeit des „königlichen Kaufmanns“ ist vorbei. Geschäftlich war Heiko Peters ein geschickter Verhandler, der dabei auch fröhlich war und mit gewitztem Charme seine Interessen durchzusetzen wusste, aber so, dass auch sein Gegenüber zufrieden sein konnte. Gute Geschäfte waren für ihn solche, die beiden Seiten Nutzen bringen.

Durch und durch hanseatisch geprägt

Heiko Peters war das, was man eine ehrliche Haut nennt. Auf sein Wort war Verlass. In diesem alten schönen Sinn ist er ein durch und durch hanseatisch geprägter Kaumann gewesen. Dazu gehört auch, mit seiner Wohlhabenheit nicht zu protzen. Anstand, Ehrbarkeit, Seriosität, exzellente Umgangsformen nahmen zusätzlich für ihn ein. Ebenso seine schnelle Entschlossenheit, wenn er sich empörte, wenn es zu handeln galt, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. War sein Entschluss vorschnell gewesen, ließ er sich – zugänglich für auch unbequeme entgegenstehende Überlegungen – zur Einsicht bewegen und quittierte sie lachend mit einem einzigen Wort: Schade.

Rhetorisch begnadet Freiheit und Recht verteidigt

Seine rhetorische Begabung, auf Veranstaltungen aus dem Stegreif mitreißende Reden zu halten, habe ich immer wieder erlebt und bewundert. Häufig galten solche Reden dem politischen Geschehen und seine Empörung darüber. Denn bei aller Fröhlichkeit seines Wesens wurde er sehr ernsthaft und energisch, wenn es um Dinge ging, die ihm heilig waren: die Demokratie als Staatsform, die Freiheit, das Privateigentum und das Recht, das dies alles zu schützen hat. Hierzu hervorgetan hat er sich besonders gegenüber den Opfern politischer Verfolgung von 1945 bis 1949 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ).

Die Opfer politischer Verfolgung auch eines Rechtsstaats

Dort hatten die kommunistischen Machthaber eine ganze Gesellschaftsgruppe (Gewerbetreibende, Handwerker, selbständige Unternehmer, Industrielle, Großlandwirte) vertrieben, verhaftet, verschleppt und tausende von ihnen umgebracht sowie sie ihres gesamten Vermögens beraubt. Dahinter steckte das kommunistische Ziel, diese Bürgerschicht, gebrandmarkt als „Klassenfeind“, zu vernichten. Als aber mit der Wiedervereinigung 1990 der bis dahin verwehrte Zugriff auf die geraubten Vermögen für die Opfer und ihre Erben wieder möglich geworden war, hat ihnen die Regierung Kohl die Vermögensrückgabe verwehrt und behauptet, nur unter dieser Bedingung der Nichtrückgabe sei die Wiedervereinigung möglich gewesen. Diese Behauptung wurde in der Folgezeit Stück um Stück zerpflückt und schließlich detailliert widerlegt. Trotzdem hat die Rückgabe (mit wenigen Ausnahmen) bis heute nicht stattgefunden, obwohl sie nach den gesetzlichen Regelungen des Vertrages zur deutschen Einheit und den Folgegesetzen geboten ist. Gerichte interpretieren sie nach politischer Vorgabe und beugen das Recht. So sind diese politisch Verfolgten zweimal Opfer staatlichen Rechtsbruchs geworden: in der SBZ-Zeit die der Kommunisten und nach 1990 die einer demokratischen und vorgeblich rechtsstaatlichen politischen Führung.*)

Zum staatlichen Rechtsbruch nicht geschwiegen

Gegen diesen staatlichen Rechtsbruch hat sich Heiko Peters von Beginn an über alle Jahre hin vehement aufgelehnt. Er hat dies mit seinem Namen öffentlich getan in großformatigen Inseraten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in Auftritten bei Versammlungen gegen dieses politische Verbrechen eines deutschen Staates, der als Rechtsstaat wahrgenommen werden wollte und das noch immer will, obwohl er es in Teilen nicht mehr ist. Beharrlich hat er immer wieder in dieser tiefen Verwundung gebohrt. Heiko Peters ist meines Wissens der einzige deutsche Unternehmer, der sich in dieser Weise beeindruckend und vorbildlich dafür eingesetzt hat, das Recht zu wahren und nicht zu brechen, obwohl er selbst und seine Angehörigen zu diesen Opfern nicht gehören. Alle anderen haben sich weggeduckt und geschwiegen, selbst die meisten Juristen. Sie haben den Mut dieses Hamburger Kaufmanns nicht aufgebracht, sie haben diese Ehre nicht im Leib gehabt. Die Opfer werden ihm das nicht vergessen.

Das traditionsreiche Handelshaus weiter vorangebracht

Das Handelsgeschäft, das die Familie Peters in Hamburg betreibt, ist dort seit langem eingesessen. Es begann am 1. Oktober 1814 mit einem Lebensmittelgeschäft für Grundnahungsmittel, als die französische Besatzungszeit beendet war. Gegründet hat es der in Hamburg geborene Christian Friedrich Michelsen. Sein Sohn Johann Heinrich Michelsen führte es als Fruchthandel in der Hamburger Innenstadt weiter. Als das Haus in der Großen Bleichen dem Großen Brand zum Opfer gefallen war, baute es dessen Enkel Ludwig Wilhelm Christian Michelsen das Unternehmen dort wieder auf. Seinen Namen trägt das Unternehmen noch heute: L.W.C. Michelsen. Von 1927 ging es in die Familie Alfred und Johannes Peters über. Mitte der 1960er Jahre übernahmen dann die Söhne Heiko Peters und Rainer Peters die Geschäftsführung. Beide bauten es aus zu einem Großhandelsunternehmen und zogen 1988 mit ihm und einen Neubau auf ein Gelände in Billbrook um. 2010 erweiterten sie Geschäft um einen Versandhandel für Endverbraucher. Inzwischen führen die Vettern Malte Peters (Sohn von Heiko Peters) und Jan Erik Peters (Sohn von Rainer Peters) das Geschäft fort. Gehandelt wird mit Delikatessen, Wein und Spirituosen. (Näheres hier, dort auch Links zu Zeitungsberichten zum Unternehmen).

Die Erkrankung war schwer, aber kurz

Gestorben ist Heiko Peters zwei Tage nach seinem 74. Geburtstag. An diesem Geburtstag habe ich noch mit ihm telefoniert. Er war auf dem Weg ins Krankenhaus. Dass es das letzte Gespräch sein würde, wussten wir beide nicht. Die Ärzte hatten Krebs diagnostiziert. Die Erkrankung war schwer, aber kurz. Sein Lebensende verlief ohne Angst und Schmerz. Dass er nicht mehr lebt, ist für seine Freunde untröstlich. Auch ich bin einer von ihnen, er ist auch mein Freund gewesen. In der Erinnerung wird er es bleiben.

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*) Ich selbst habe über diese Vorgänge viel geschrieben. Einiges davon finden Sie auf dieser Web-Seite (linke Spalte „Archiv“) unter den Stichworten Bodenreform als politische Verfolgung, Bodenreformland-Erben, Karlspreis, Ostdeutsches Agrarland, Politische Verfolgung in der SBZ, Rechtsstaat, Wiedervereinigungsunrecht.

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3 Kommentare zu „Ein Hamburger Kaufmann“

  1. Ich bin sehr traurig. Wir haben einen unerschrockenen Verfechter unserer Interessen verloren. An seinem Todestag waren wir in Waren und fuhren an der Europäischen Akademie vorbei, wo wir seit 2000 viele gut besuchte Seminare ausgerichtet haben. Heiko Peters war an vielen dieser Veranstaltungen zugegen und brachte sich stets ein. Ich hatte mich auf ein Wiedersehen mit ihm im Frühjahr nächsten Jahres so gefreut, nach Möglichkeit mit dem von uns seit 5 Jahren so sehr gewünschten Erfolg beim BVerfG. Er reißt eine tiefe Lücke.

  2. Ich erinnere mich, daß in den sechziger Jahren Gerichte noch den Hamburger Kaufmann als Referenz in Handelssachen beizogen. Daß dies schon lange ebenso wenig der Fall ist wie Geschäftsaktivitäten per Handschlag (allenfalls noch da und dort im süddt. Viehhandel) und auf Treu und Glauben, zeigt die Verwahrlosung dieses Landes. Rechtlichkeit, Redlichkeit, Anstand, Zuverlässigkeit sind keine üblichen Begriffe mehr. Von wem holen sich für derlei dem Zusammenhalt einer Gesellschaft unabdinglicher Begriffe Gerichte Interpretationshilfen? Das haben auch (oder vor allem?) Politiker zu verantworten.

  3. Ein Protagonist, dem Verantwortung, Selbstdisziplin, Ehrlichkeit, um nur einige herausragende Eigenschaften der von uns gegangenen Persönlichkeit – Heiko Peters – zu benennen, geht unfreiwillig auf so tragische Weise. Das ist grausam und macht fassungslos.

    „Lieber Heiko Peters, wir hätten Dich so gerne noch bei uns behalten. Du hast uns geholfen, wenn die Not am größten war, Du warst da, wo andere weggeschaut haben, Du hast still in aller Bescheidenheit gehandelt und über Deine guten Taten geschwiegen, aber vielleicht siehst Du nun von oben, dass Deine Saat aufgeht und sich die ersten Sprossen zeigen, der 8. Oktober 2015 war bezeichnend, die Unabänderlichkeit des Unrechts ist doch abänderlich, und der unerschütterliche Glaube an das Recht kann doch Berge versetzen! Wir werden in Deinem Sinne diesen Weg weitergehen und wünschen, dass Du, nun von dort oben unser Schutzengel auf Erden bist.
    In Dankbarkeit und in der Gewissheit auf ein Wiedersehen, gedenken Deiner das Geschwisterpärchen Claudia und Michael.“

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