Ausgerichtet auf die Bundestagswahl, an sich ein Schritt in die richtige Richtung, aber zu dürftig, zu bürokratisch und rechtlich heikel, daher ein weiterer Missgriff
Sie können Ihren Strom nicht mehr bezahlen? Dumm. Sie haben sogar Schulden und wissen nicht, wie sie die zurückzahlen? Sehr dumm. Sind Sie systemrelevant? Nein? Schade um Sie. S i e rettet niemand. Trösten mag Sie, dass es mit dem Strom rund 800 000 Bürgern in Deutschland nicht anders als Ihnen geht. Trösten soll Sie, was zwei unserer Bundesminister als Strompreisbremse ausgeheckt haben. Aber retten wird Sie die Bremse auch nicht. Für Sie bleibt der Strom weiterhin zu teuer.
Aufgeschreckte Bürger – vor der Wahl mögen das Regierende nicht
Die Bundesregierung mit Merkel und Co. hat kalte Füße bekommen. Die Stromverteuerung ist seit Oktober 2012 ein breites öffentliches Thema geworden. Die Bürger sind aufgeschreckt – und das vor der Bundestagswahl im September. Diese Verteuerung ist wahlpolitisch ein Störenfried. Auch so etwas bringt einen erhofften Wahlsieg in Gefahr, zumal bei den inzwischen hauchdünnen Mehrheiten. Wie jede Regierung will auch die schwarz-gelbe Koalition wieder siegen und das Regierungsruder in der Hand behalten. So nimmt sie also die Bürger wieder als Wähler wahr.
Beim verdoppelten Strompreis wird es nicht bleiben
Denn zu viele von ihnen wissen inzwischen, dass der Strompreis im Wesentlichen durch staatliche Einwirkung steigt, zumal als Folge des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 2000 bis 2012 hat sich der Verbraucherpreis für Strom immerhin verdoppelt. Das wird sich verschlimmern. Immerhin haben „Die Grünen“ auf ihrem letzten Bundesparteitag Mitte November 2012 in Hannover beschlossen, bis 2030 aus der Stromerzeugung mit Kohle ganz auszusteigen und Strom im wesentlichen nur noch mit Sonne und Wind herzustellen, weil der Klimawandel dränge.1)
Der „Ökostrom“ ist übersubventioniert
Das EEG-Regelwerk treibt den Preis weiter nach oben. Die Betreiber von Anlagen, die mit Wind, Sonne und „Biogas“ Strom erzeugen, erhalten dafür eine staatlich verordnete Vergütung. Ohne sie wäre diese Erzeugung sonst nicht rentabel, und niemand hätte sie begonnen. Diese Vergütung summiert sich im Jahr auf Milliardenbeträge und wird (nach Verrechnung mit Stromverkaufserlösen an der Strombörse in Leipzig) als EEG-Umlage auf den Verbraucherpreis für Strom aufgeschlagen. 2012 sind das rund 17 Milliarden Euro gewesen. Daher belastet die Umlage den Strompreis für Privatverbraucher im laufenden Jahr nunmehr mit 5,28 Cent je Kilowattstunde (kWh). 2012 sind es 3,59 Cent gewesen. Das sind 2013 auf einen Schlag 48 Prozent mehr. Aber auf die 5,28 Cent drückt der Staat noch 19 Prozent Mehrwertsteuer drauf. Tatsächlich also wird der Stromverbraucher mit 6,28 Cent je kWh zusätzlich belastet. Mit jeder weiteren errichteten „Ökostrom“-Anlage steigt diese Umlage EEG-bedingt weiter und mit ihr der Strompreis. Die Branche ist mit diesen und anderen Staatshilfen übersubventioniert. Daher setzt sich das Errichten von „Ökostrom“-Anlagen fort und folglich die Stromverteuerung ebenfalls.
Noch mehr kompliziertes Klein-Klein vorgesehen
Weil sich das vor der Wahl nicht so gut macht, haben sich die beiden zuständigen Bundesminister (Altmaier für Umwelt, Rösler für Wirtschaft) vergangene Woche darauf verständigt, die Umlage zu begrenzen und sie bis einschließlich 2014 auf der gegenwärtigen Höhe von 5,28 Cent je kWh zu blockieren. Erst 2015 soll sie wieder steigen dürfen, aber nicht mehr als jährlich um 2,5 Prozent. Gelingen soll das mit dem Drehen an verschiedenen Schräubchen und noch mehr bürokratisch-kompliziertem Klein-Klein.
Die Begrenzungen für Neuanlagen
Für Neuanlagen wollen die Minister die Vergütung für den ins Netz eingespeisten „Ökostrom“ in den ersten fünf Monaten von der Inbetriebnahme an auf den deutlich niedrigeren Marktpreis begrenzen. Gelten soll das für alle Anlagen, die vom 1. August 2013 an in Betrieb gehen, nur für die Solarstom-Anlagen nicht. Mit dem sechsten Monat dann ist vorgesehen, die Vergütung zu senken: für neue Windkraftanlagen an Land von derzeit knapp 9 auf 8 Cent je kWh, für alle anderen neuen einmalig um 4 Prozent. Für alle Anlagen, die vor dem 1. August 2013 in Betrieb gegangen sind, soll die Vergütung pauschal um 1,5 Prozent sinken, aber nur für das Jahr 2014. Gestrichen wird der Bonus für die sogenannten Systemdienstleistungen (SDL) und für das Ersetzen alter durch neue Anlagen mit höherem Wirkungsgrad (Repowering), der jetzt 0,48 Cent je kWh ausmacht. Eine andere Absenkung betrifft das „optionale Direkt-Marketing“. Neuanlagen müssen vom 1. August an ihren Strom selbst verkaufen und haben keinen Anspruch mehr auf eine feste Einspeisevergütung (verpflichtende Direktvermarktung), ausgenommen Anlagen mit einer Leistung unter 150 kW.
Die Begrenzungen für Sonderregelungen
Abgeschafft werden soll die sogenannte Management-Prämie, ebenso der „Gülle-Bonus“. Er wurde mit der EEG-Novelle 2008 rückwirkend auch für damals schon bestehende „Biomasse“-Anlagen eingeführt. Dies betrifft Anlagen, die zwischen 2004 und 2008 in Betrieb gegangen sind. Stromintensive Industriebetriebe müssen mit Einbußen bei ihren Ausnahmeregelungen rechnen. Ihre sogenannte Mindest-Umlage wird angehoben. Eingeführt wird eine solche Umlage bei allen Betrieben für ihre Eigenerzeugung und ihren Selbstverbrauch an Strom, ausgenommen Anlagen mit einer Leistung von weniger als 2 MW sowie KWK-Anlagen. Stromintensive Branchen, die nicht im intensiven internationalen Wettbewerb stehen, sollen die besondere Ausgleichsregelung verlieren. Alle diese Neuregelungen sollen unmittelbar durch eine Änderung des EEG umgesetzt werden und zum 1. August 2013 in Kraft treten.
Für die Bürger immer unübersichtlicher
Allein an diesem Schräubchen-Wirrwarr ist zu sehen: Hier wird nur notdürftig etwas geflickt. Für die Stromerzeuger wird das Regelwerk immer komplizierter und für die Stromverbraucher unübersichtlicher. Die Bürger verstehen dann immer weniger davon, sind dem Expertenwissen der Ministerien, Behörden und Stromwirtschaft ausgeliefert, werden bei Gegenwehr in ihrer Artikulierungsfähigkeit eingeschränkt und verlieren damit an argumentativer Kraft, sich durchzusetzen.
Fotovoltaik – Der teuerste „Ökostrom“ soll ungeschoren davonkommen
Unverständlicherweise ausgenommen von den Kürzungen sind ausgerechnet die Fotovoltaik-Anlagen mit ihrem Solarstrom. Dieser Strom ist der allerteuerste überhaupt. Gerade diese Anlagen sind auf Hausdächern und in der Landschaft besonders massiv entstanden. Allein in den vergangenen drei Jahren ist das für die Fotovoltaik politisch vorgegebene Ausbauziel um bis zum Dreifachen überschritten worden: statt 2500 bis 3500 Megawatt im Jahr waren es jährlich 7500 Megawatt.2)
Die Windkraft-Lobby sieht den Plan als Katastrophe
Alle geplanten Kürzungen sollen 2014 zu Einsparungen von knapp 1,9 Milliarden Euro führen (700 Millionen durch das Streichen von Ausnahmeregelunge für die Industrie und knapp 1,2 Milliarden für das übrige). Bezogen auf die EEG-Umlage 2012 von 17 Milliarden Euro sind das 11 Prozent. Die Windkraftindustrie und andere Subventionsprofiteure reagieren empört, zeigen sich entsetzt. Sie reden von Katastrophe: die geringere Vergütung gefährde die Finanzierung. Sie reden von Vertrauensschaden: die Investoren würden von nun an zusätzliche Risikoprämien verlangen.
Das Problem mit dem Vertrauensschutz
Berufen können sie sich darauf, dass ihnen das EEG einen besonderen Vertrauensschutz gewährt. Die jeweils auf zwanzig Jahre zugesicherte Subvention kommt einem Eigentumsanspruch gleich. Auf ihn muss Verlass sein. Eigentumsrechte sind im Grundgesetz geschützt, rückwirkende Gesetzeseingriffe in so ein Recht daher grundsätzlich nicht möglich. Legitimiert sein könnten sie allenfalls durch „überragende Gemeinwohlinteressen“ oder wenn es gilt, „schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter“ zu beheben. Die Bundesregierung könnte sich hierbei auf ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Stefan Klinski, Berlin, von 2009 stützen.3) Bei einer nachträglichen Änderung der geltenden Vergütungssätze für die Zukunft handele es sich um eine sogenannte unechte Rückwirkung. Die sei grundsätzlich erlaubt. Falls nachträglich festgestellt werde, dass die gezahlten Vergütungen wirtschaftlich zu hoch seien, könne der Gesetzgeber in die laufende Vergütung und deren Bedingungen eingreifen.
Aber der bremsende Eingriff kommt nicht aus heiterem Himmel
Die mögliche Argumentation: Das mit dem EEG eine Übersubventionierung stattfindet, ist unübersehbar. Das wissen auch seine Profiteure. Die staatlich garantierte Rendite übersteigt die heute üblichen anderen erheblich. Gerade deshalb haben sie sich auf dieses Geschäft geradezu gestürzt. Sie konnten oder mussten daher mit einem bremsenden Eingriff rechnen. Wie aus heiterem Himmel kommt er also nicht. Und nur die überhöhte Rendite soll geschmälert werden, nicht die Rendite überhaupt. Deshalb wird das Altmaier-Rösler-Vorhaben kaum am Verfassungsrecht scheitern, sondern wenn überhaupt, dann nur an der rot-grünen Ländermehrheit im Bundesrat, falls dort Kompromissversuche wider Erwarten scheitern würden. Manche künftige Anlage mag sich dann nicht mehr rentieren.
Der gute Zweck contra Rechtssicherheit
Wohl machte das Sinn und wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein winziger. Aber rechtlich ist er sehr heikel. Es wäre eine weitere Aushöhlung der Eigentumsrechte und ein Untergraben der Rechtssicherheit. Solche Eingriffe dürfen nicht einfach deswegen gerechtfertigt sein, nur weil ihr Zweck gut ist. Mit ihnen sinkt die Hemmschwelle für weitere Eingriffe in die Eigentumsrechte. Richtig dagegen wäre es, alle neuen Anlagen überhaupt nicht mehr zu subventionieren, dies aber rechtzeitig anzukündigen.
Dauersubventionierung geht nicht, das EEG muss komplett weg
Ursprünglich sollte das EEG die Einführung der neuen Technik zur Stromproduktion aus Wind, Sonne und Pflanzenmasse nur anstoßen, aber nicht der Dauersubventionierung dieser Technik dienen. Es hätte schon längst auslaufen müssen. Es hätte noch nicht einmal entstehen dürfen. So erfreulich unerschöpflich diese Energie aus Sonne und Wind auch ist, so unzulänglich ist ihre Leistungsdichte bzw. Energiedichte und ihre Verlässlichkeit zu jeder Zeit. Aus dieser Energie kann man ein modernes Industrieland nicht mit dem nötigen Strom versorgen. Aber Warnungen von Fachleuten aus der Energietechnik und –wissenschaft waren und sind noch immer unwillkommen. Nichts gegen die Nutzung von Sonne und Wind, wo es angebracht ist, aber sie muss wirklich wirtschaftlich sein, ohne Subventionierung. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagt: „Ökostrom muss sich stärker am Markt behaupten, wir müssen das EEG komplett neu gestalten.“4) Das aber geht nicht weit genug. Ökostrom muss sich ganz am Markt behaupten, und das EEG muss komplett weg.
Ökostromkosten steuerlich finanzieren? Ein schlechter Vorschlag
Die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie fordert eine steuerfinanzierte Energiewende. Die jetzige Regelung habe sich überlebt, sei widersprüchlich und zu teuer. Der Verbandsvorsitzende Michael Vassilidis schlägt eine Neuordnung vor: Grundsätzlich seien die von der Allgemeinheit zu tragenden Energiewende-Kosten durch Steuern aufzubringen und nicht über höhere Strompreise.5) Klingt gut, ist aber schlecht. Denn steigen würden die Kosten für Ökostrom wie bisher, gingen dann aber im großen Steuertopf unter und wären kaum noch wahrzunehmen, jedenfalls für die Bürger nicht mehr direkt fühlbar. Die Kosten einer Technik müssen in deren Preis zum Ausdruck kommen. Sie dürfen durch steuerliche Finanzierung nicht wegmanipuliert und in den Staatshaushalt verschoben werden. Staatliche Eingriffe in die Preisbildung verändern die relativen Preise aller Güter zueinander, bringen das Preisgefüge durcheinander. Sie stören dessen Signalfunktion für die Knappheitsgrade der Güter und führen zu Fehllenkungen im Wirtschaftsablauf. Von solchen staatlich verursachten Fehllenkungen haben wir schon mehr als genug.
„Hurra, wir werden noch regiert“
Die Bundesregierung versucht nun, sich mit ihrer „Strompreisbremse“ über den Wahltag hinwegzuretten und die politischen Gegner, vor allem die im Bundesrat, in ihre geplanten Änderungen einzubinden. Rösler hat schon gedroht, jeder, der sich diesem verweigere, werde politisch für höhere Strompreise verantwortlich sein, und hat die Bundesländer zur Zustimmung aufgefordert – als wenn seine FDP nicht auch für den schon jetzt zu teuren Strom verantwortlich wäre. Sollte die Zustimmung gelingen, was nicht unwahrscheinlich ist, weil auch die Landespolitiker mit Sonne- und Windstrom „das Klima retten“ wollen und die „Energiewende“ ebenfalls, könnte das Reizthema Stromverteuerung aus dem Wahlkampf herausgehalten werden, und den Wählern würde weiterhin Sand in die Augen gestreut. Die Zeitschrift „Stern“ bejubelte die Altmaier-Rösler-Einigung auf die (vorübergehende) Strompreisbremse mit der Überschrift „Hurra, wir werden noch regiert.“6) Gewiss, gewiss, das werden wir, aber unglaublich schlecht und ruinös.
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1) Astrid Schneider, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie der Grünen im Interview mit WiWo Green: „Aber dass wir den Kohleausstieg bis 2030 fordern, ist ja nicht aus einer Laune heraus entstanden. Der Klimawandel drängt.“ Wer sich gruseln will, lese unbedingt das ganze Interview.
2) Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw): http://www.b4bschwaben.de/nachrichten/lindau_artikel,-vbw-EEG-Ausnahmeregelung-ist-unverzichtbar-_arid,124162.html
3) http://www.bmu.de/service/publikationen/downloads/details/artikel/eeg-verguetung-vertrauenschutz-bei-kuenftigen-aenderungen-der-rechtslage/?tx_ttnews%5BbackPid%5D=966
4) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/sachsens-ministerpraesident-tillich-im-schwarzwald-oder-in-sachsen-muessen-keine-windraeder-stehen-12083908.html
5) F.A.Z. vom 18. Februar 2013, Seite 19.
6) http://www.stern.de/politik/deutschland/einigung-auf-strompreisbremse-hurra-wir-werden-noch-regiert-1971627.html
Hallo Herr Krause,
auf Empfehlung von Freunden aus dem Internet habe ich ihre Homepage gefunden.
Die Erklärungen über die Energiepolitik in Deutschland gebühren
grossen Respekt.Sie erklären mit einfachen Worten, dieses Debakel um die „sogenannten Erneuerbaren Energien“.Das es hierbei nur um Energieumwandlung geht,wird gar nicht mehr erwähnt, und spricht für die Allgemeinbildung unserer Politschen Elite.
Wenn darüberhinaus noch der Vorsitzende der Energiegewerkschaft seine widersinnigen Vorschläge zu diesem Thema macht,spürt man wie es um Deutschland
bestellt ist.
Als aufrichtiger Demokrat bleibt nichts anderes wie immer wieder aufklären,aufklären,aufklären.
Ich bewundere ihren Mut und ihre Ausdauer.
Mit herzlichem
Glückauf
Alfred Casimir
Sehr geehrter Herr Casimir, bitte nicht von „Mut“ sprechen. Mut hatte, wer aufklärend zum Beispiel in der Nazi-Zeit den Mund aufmachte oder schrieb, denn das bekam ihm schlecht, und er wusste, was er riskierte. So weit sind wir heute noch nicht wieder. Aber es kann kommen. Ein Anfang ist die „political correctness“, auf Deutsch: Gesinnungsterror. Wer öffentlich gegen sie verstößt, muss mit medialer Anprangerung rechnen bis hin zur Ächtung, politischen Aussonderung und zum Arbeitsplatzverlust. Weithin bekannte Beispiele sind Philipp Jenninger, Martin Hohmann, Eva Hermann, Thilo Sarrazin. Klaus Peter Krause