Die Katze ist aus dem Sack

Was zu befürchten war, wird nun aufgetischt: Zwangsanleihe und Vermögensabgabe
Wann frisst die Staatsschuldenkrise endlich ihre Verursacher und nicht ihre Opfer?

Wie bitte? Zwangsanleihe? Vermögensabgabe? Ja, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Herausgelassen hat sie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die überschuldeten Staaten – auch Deutschland gehört dazu – sollen Vermögensabgaben erheben oder sich das Geld mittels Zwangsanleihen holen. Die Katze ist ein Versuchsballon. Die politischen Führungen allerorten werden begeistert sein, auch die deutsche. Entspricht doch, was das DIW vorschlägt, einem innigen politischen Wunsch ohnehin. Gehegt worden ist er bereits, nur nicht offen und öffentlich auszusprechen gewagt. Wie wunderbar, dass nun eine wissenschaftliche, vermeintlich unabhängige Instanz in Form des DIW vorprescht und die Speere bürgerlicher Wut zunächst nur auf sich allein lenkt. Mit dem Versuchsballon wirkt das Institut wie vorgeschickt oder wie im vorauseilenden Gehorsam tätig. Und unsere Politiker können erst einmal entspannt zusehen, wie das Echo ausfällt und wie stark (und ob überhaupt) sich Volkes Zorn gegen diesen Vorschlag entlädt. Vorerst also holt für sie das Institut die Kastanien aus dem Feuer.

Wenn Du nicht willst, dann brauch’ ich Gewalt

Leicht kann man sich den weiteren Ablauf in Deutschland ausmalen: Entrüstung, Ablehnung, Rauschen im Medienwald, Debatte, Debatte, Debatte, dann wird es aus Politikermündern heißen „keine Alternative, unabendbar“, schließlich bei allen maßgeblichen Parteien Einigkeit, am Ende das Gesetz und der Vollzug. Die Kundigen haben eine solche Eskalation kommen sehen: Wenn Bürger dem Staat seine Verschuldungsanleihen nicht mehr freiwillig abkaufen, weil deren Realverzinsung bereits ins Minus gerutscht und außerdem die Rückzahlung gefährdet ist, dann müssen sie eben dazu gezwungen werden, muss ihnen das Geld mit Staatsgewalt abgepresst werden. Wenn Du nicht willst, dann brauch’ ich Gewalt. Mit Instrumenten wie Vermögensabgabe, Zwangsanleihe, Zwangshypothek geht das Schröpfen der Bürger durch den deutschen Staat erst so richtig los.

Minderheiten werden am liebsten unterdrückt

Geschröpft werden sollen natürlich nur „die Reichen“. Das DIW nennt sie „Privathaushalte mit hohen Vermögen und Einkommen“. Nur sie will es zum staatlichen Refinanzieren und zum Abbau der Staatsschulden herangezogen sehen, nur die reichsten 8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Nur Personen mit mehr als 250 000 Euro Vermögen (Ehepaare mit mehr als 500 000) sollen bluten, allerdings noch einmal bluten, denn entstanden ist das Vermögen aus Einkommen, die in der Regel versteuert werden mussten. Das mag die Mehrheit erst einmal beruhigen, Volkes Zorn also noch in Grenzen halten – bis es später merkt, dass es selbst ebenfalls nicht ungeschoren davonkommt. Minderheiten werden am liebsten unterdrückt, ihre Gegenwehr ist zu schwach.

Mit 10 Prozent Abgabe dem Staat 230 Milliarden Euro verschaffen

Das DIW hat gerechnet und dabei die Freibeträge von 250 000 je Einzelperson und 500 000 je Ehepaar zugrundegelegt. Daraus ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Eine Zwangsanleihe oder eine Abgabe in Höhe von zum Beispiel 10 Prozent auf diese Bemessungsgrundlage könne somit gut 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – rund 230 Milliarden Euro – mobilisieren. Wenn der Staat damit Schulden tilge, sinke die deutsche Schuldenquote von derzeit 83,5 auf 74,5 Prozent des BIP.

Aber würde das Geld wirklich in die Entschuldung gesteckt?

Toll, aber diese Verschuldung ist immer noch zu hoch, die Schuldenquote des Maastricht-Vertrages (60 Prozent) noch immer nicht erreicht. Auch ist keineswegs sicher, dass die Einnahmen aus der Zwangsanleihe wirklich in die deutsche Entschuldung gesteckt werden und nicht in das Fass ohne Boden, genannt ESM, fließen müssen, wenn dieser ESM tatsächlich Wirklichkeit geworden sein sollte.

Wasser auf die Mühlen der Sozialisten in allen Parteien

Der DIW-Vorschlag zielt vor allem auf die Krisenländer der südlichen Euro-Zone, denn die könnten sich nur noch zu sehr ungünstigen Konditionen auf den Kapitalmärkten refinanzieren. Aber auch den Nordländern der Euro-Zone und anderen OECD-Länder mit hohen Staatsschulden empfiehlt das Institut einmalige Zwangsanleihen oder Vermögensabgaben, um die Schuldenstände zu verringern und sie zum Beispiel auf die Maastricht-Schuldenstandsquote zu drücken. Auf Deutschland also konzentriert sich das Institut mit seinem Vorschlag nicht. Aber er ist Wasser auf die Mühlen der Sozialisten in allen deutschen Parteien, und sie werden das Wasser auf ihre Mühlen zu leiten verstehen. Bürger noch weiter auspressen und das mit einer Notstandslage begründen fällt ihnen stets leichter, als zu sparen, zu konsolidieren und Notwendiges zu reformieren. Erst führen sie und ihresgleichen die Notstandslage mutwillig – denn sie war absehbar – herbei und schlachten sie dann als Begründung zum Drangsalieren der Bürger aus.

„Alles-schon-mal-dagewesen“ exkulpiert nicht

Zwangsanleihen sind verkappte, zumindest potentielle Vermögensabgaben. Irgendwann sollen sie zwar zurückgezahlt und verzinst werden, aber hochverschuldete Staaten werden das nicht schaffen. Dann gibt es eines Tages nichts dergleichen, oder die Anleihen werden durch Hyper-Inflation wertlos, dann ist die Zwangsanleihe zum Vermögensentzug geworden, zu einer Einmal-Steuer. Ob Vermögensabgabe oder Zwangsanleihe oder eine Kombination von beidem – es wäre ein weiterer und besonders dreister staatlicher Zugriff auf das Privateigentum der Bürger. Die Tatsache, dass dies nicht neu ist und alles schon mal gegeben hat (darunter Wehrbeitragsabgabe 1913, Reichsnotopfer 1919, Zwangsanleihe zur Vermögenssteuer 1922/23, Lastenausgleichsabgabe 1949), macht es nicht besser, rechtfertigt es nicht und exkulpiert nicht. Zahlen sollten dagegen alle jene müssen, die ihr Geld in riskante Papiere oder in heute strauchelnde Banken gesteckt und für das Risiko von der entsprechenden Rendite profitiert haben: die Gläubiger und Anteilseigner der nun hinfälligen Investments. Wann endlich frisst die Staatsschuldenkrise ihre Verursacher und nicht ihre Opfer?

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