Populistisch sind alle Parteien
Populistisch sind alle Parteien. Sie biedern sich beim Volk (lateinisch: populus) doch alle an, versuchen ihm zu gefallen und nach dem Mund zu reden, um gewählt zu werden. Aber wieso wird immer nur jenen Parteien der Vorwurf des Populismus angehängt, die sich rechts von der politischen Mitte bewegen? Warum wird inzwischen immer nur von Rechtspopulismus gesprochen, aber kaum noch von Linkspopulismus? Und sind Politiker und Parteien, die sich einer politischen Mitte zurechnen, so ganz und gar unpopulistisch?
Verführen nur Rechtspopulisten die Wähler?
Solche Fragen fallen gerade jetzt nach der Parlamentswahl in Finnland ins Auge. Dort hat die Partei „Wahre Finnen“ einen großen Aufstieg erlebt, der sie prompt ins politische Blickfeld rückt. Und ebenso prompt wird sie in deutschen Medien als „rechtspopulistisch“ verächtlich gemacht und gleichsam gebrandmarkt. Ein Beispiel aus diesen Tagen: Für Welt Online ist Wahlsieger Timo Soini „ein Rechtspopulist, der die Ungebildeten verführt“? Aber was tun, bitte, die Herren Gysi, Lafontaine, Trittin, Schäuble, Brüderle, Westerwelle, Gabriel und wie sie sonst noch in allen diesen Parteien heißen? Oder die Damen Merkel, Künast, Roth, von der Leyen, Leuthausser-Schnarrenberger, Lötsch, Wagenknecht und wie sie sonst noch alle in denselben Parteien heißen? Verführen die alle nicht? Oder verführen sie nur die Gebildeten, also ganz unpopulistisch?
Die Wahren Finnen in den Medien stets nur „rechtspopulistisch“
Weitere Beispiele bieten Süddeutsche Zeitung, Handelsblatt, Focus, taz, Financial Times Deutschland und die FAZ, um nur einige zu nennen. Die Berliner tageszeitung (taz) schrieb: „Mit Anti-EU-Parolen haben finnische Rechtspopulisten bei der Reichstagswahl klar hinzugewonnen.“ In Focus Online war zu lesen: „Fast 20 Prozent der Stimmen hat die rechtspopulistische Partei „Wahre Finnen“ mit ihrem Vorsitzenden Timo Soini bei der Parlamentswahl geholt …“ Die Financial Times Deutschland berichtete: „Die rechtspopulistische Partei ‚Wahre Finnen’ hat Änderungen am Hilfspaket für Portugal gefordert.“ Das Handelsblatt formulierte: „Finnlands Rechtspopulisten sperren sich nach ihrem Wahlerfolg gegen EU-Finanzhilfen.“ In der Süddeutschen Zeitung las man unter der Überschrift „Finnland: Rechtspopulisten legen zu“: „Die Rechtspopulisten verlangen schon am Tag nach ihrem Erfolg Neuverhandlungen über das EU-Stabilitätspaket.“ Die Online-FAZ (FAZNet) konstatierte: „Es ist ein Sieg der Rechtspopulisten.“ Und die Druckausgabe der FAZ brachte einen Bericht über den „Wählerzuspruch für Rechtspopulisten in Europa“ und überschrieb das mit „Die Wahren Finnen stehen nicht allein“. Auch Wikipedia befindet: „Die Wahren Finnen … sind eine rechtspopulistische Partei in Finnland.
Was sind die Wahren Finnen denn nun wirklich?
Geärgert über diese Rechtspopulismus-Manie hat sich auch der mir befreundete selbständige Journalistenkollege Günter Kleindienst, vormals langjähriger Redakteur bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ). Er hat dazu nach der Wahl in Finnland unter der Überschrift Wer und was sind „Rechtspopulisten“? am 19. April folgendes geschrieben:
„In Finnland haben die ‚Wahren Finnen’ einen politischen Erdrutsch verursacht. Sie sind faktisch die Wahlgewinner, weil sie ihre Stimmenanteile vervielfacht haben. Und die deutsche Journaille steht Kopf – zumindest in den (überwiegend) linkslastigen Medien. Landauf, landab werden die finnischen ‚Wahren’ Rechtspopulisten*) genannt (Neo-Nazis kann man sie ja schwerlich nennen!), weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aber was sind sie denn nun wirklich? Ich meine natürlich in Finnland, denn in Deutschland ist diese Bezeichnung schon ab der „Mitte“ und nicht nur für (mindestens halbe) „Neo“- Nazis festgeschrieben.
Etwa gar rechtsextrem oder einfach nur patriotisch?
Sind die ‚Wahren Finnen’ patriotisch, gar national gesonnen? Das allein würde für die (Negativ-)Bezeichnung ‚Rechtspopulisten’ in Deutschland schon genügen. Sind sie rechtsextrem, gar ultrarechts (deshalb ‚leider’ noch immer keine ‚Neo’-Nazis!)? Oder sind sie (nur) ‚konservativ’ (konservativ = bewahren)? Darauf deutet zwar vieles hin, zum Beispiel, weil sie den Euro in die Pfanne hauen und beim ‚Rettungsschirm’ nicht mitspielen wollen, was jedoch zumindest in Deutschlandeinen weiteren Kampf gegen ‚Rechts’ auslösen würde.
Zum Beispiel der Linkspopulist Sigmar Gabriel
Was sind bei uns eigentlich Populisten? Nur welche ‚von rechts’? Nee! Man braucht ja nur 1+1+1 zusammenzuzählen (kann ich noch: = 3): ROTe, GRÜNe und LINKEste. Die sind alle ziemlich links**), mal mehr, mal weniger – und regelmäßig auch Populisten, also Linkspopulisten. Zum Beispiel soeben wieder mal Sigmar Gabriel: Nachdem er – zusammen vor allem mit Oppermann und Lauterbach – den (nicht nur für ihn) gefährlichen ‚Rechten’ zu Guttenberg den Garaus gemacht hat, ist er jetzt umgeschwenkt und drischt auf gerade noch gewesene Gesinnungsfreunde, die GRÜNEN, ein (übrigens zu spät!). Dabei ist er keineswegs nur ein „normaler“ Populist, schon gar nicht ein Rechtspopulist, sondern ein Linkspopulist. Und was für einer….“
*) DUDEN Deutsches Universal Wörterbuch (1816 Seiten): „Populist: Vertreter des Populismus / Populismus: Vom Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogisch geprägte Politik mit dem Ziel, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen.“
**) Karl-Eduard von Schnitzler würde sagen: „reale Sozialisten“
PS. Zu Günter Kleindienst: Er ist 1929 in Chemnitz geboren und im sächsischen Glauchau aufgewachsen. Kurz vor seinem Abitur im Internat Waldenburg, Anfang 1947, wurde er vom NKWD verhaftet und im Juli in Chemnitz von einem Sowjetischen Militärtribunal in drei Minuten zu zehn Jahren politischer Haft verurteilt, weil er in Flugblättern auf sowjetisches und kommunistisches Unrecht nach 1945 hingewiesen hatte.
Zwei Jahre musste er das „Gelbe Elend“ (so wurde die Haftanstalt I in Bautzen genannt) erleiden, ein Jahr das KZ Sachsenhausen zubringen und knapp ein Jahr das Zuchthaus Untermaßfeld in Thüringen. Im Oktober 1950 kam er durch eine Amnestie des damaligen DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck frei, wog nur noch 46 Kilogramm und war gesundheitlich geschädigt. Im November 1951 floh er nach West-Berlin; ihm war neue Haft angedroht worden, das Beenden der Schulausbildung wäre ihm nur mit Spitzeldiensten gegenüber Mitschülern möglich gewesen.
Sein Abitur machte er dann erst im März 1955 an der Humboldtschule in Hannover, studierte bis 1964 Chemie an der TH Hannover, wurde aber Journalist, war bis 1994 HAZ-Redakteur, arbeitet seitdem als selbständiger Journalist, engagiert sich informierend und kommentierend gegen das politische SBZ-, Sowjet- und DDR-Unrecht, gegen das Festschreiben des SBZ-Unrechts 1990 durch die Bundesregierung Kohl, gegen Vertreibungsunrecht im weitesten Sinne, Kulturverfall, Sprachverfall, Klima-Schwindel-Politik sowie auch „Gegen das (andere) Vergessen“. Er hat eine Tochter, vier Söhne und drei Enkel.
Günter Kleindienst ist Ende März 82 geworden und immer noch voll von journalistischem Temperament und Tatendrang.
Ich bin der Journalist, um den es oben unter PS geht. Diesmal möchte ich auf ein von mir Ende vorigen Jahres kreiertes Diktum aufmerksam machen:
„Der weitverbreitete Linkspopulismus ist viel mehr links, als der weniger verbreitete Rechtspopulismus rechts ist.“
Günter Kleindienst
Günter Kleindienst: ich möchte ein vor etwa 20-25 von mir erfundenes Bonmot nach“richten“: Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Rechts- sondern ein Linksstaat, der sich im Kampf gegen rechts und vor allem das Recht befindet!
Und, weil über Ihre herkunft lese, lieber Herr Klein=
dienst, gerade fand ich antiquarisch das Büchlein
„Zwischen Wadheim u. Workuta, Erlebnisse polit. Häftlinge zw. 1945 u. 1965“, gesammelt u. bearbeitet v. Sigurd Binski, ein erschütterndes Buch, 2. Auflage v. 1994, erstausgabe v. 1967 (!!!) was in diesen kurzen, grauenvollen Berichten steht läßt einem die Schauer über den Rücken laufen! Kennen Sie es?