Zentralbanken nur noch für den Zahlungsverkehr / Mut zu einer neuen Geldordnung (2)
Freies Marktgeld und der nötige Mut zu einer neuen, einer marktwirtschaftlichen Geldordnung waren Gegenstand einer Tagung am 3. Februar mit rund achtzig Teilnehmern im Bayrischen Hof in München. Norbert F.Tofall trug vor, wie sich der Neustart einer solchen Geldordnung bewältigen lässt, ohne dass dabei das Zahlungssystem zusammenbricht. Dieser Neustart teilt den Zentralbanken eine neue Rolle zu. Sie sollen nur den Zahlungsverkehr sicherstellen, aber alles Folgende nicht mehr dürfen: nicht mehr das Geldmonopol haben, nicht mehr die Zinssätze manipulieren und damit die Preise auf den Finanzmärkten verzerren, keine Insolvenzen von Banken mehr verhindern und für Geschäftsbanken nicht mehr die Kreditgeber der letzten Instanz sein. Tofall sieht in der neuen Rolle der Zentralbanken für das Vorhaben, eine marktwirtschaftliche Geldordnung anstelle der gegenwärtigen durchzusetzen, eine notwendige Bedingung. Nur so sei evolutionär ein Übergang möglich. Tofall ist Lehrbeauftragter der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und leitet den Politikkreis der Hayek-Gesellschaft.
Auch Banken müssen für ihr Tun haften
Auf den Finanzmärkten, so führte er aus, sei durch die Gründung von Zentralbanken der Zusammenhang von Entscheidung und Haftung außer Kraft gesetzt. Ihnen sei die Hauptaufgabe zugewiesen, als Kreditgeber letzter Hand die Insolvenz von Geschäftsbanken zu verhindern. Wer dort Fehlentscheidungen treffe, hafte nicht mehr für die Folgen seiner Entscheidung. Zur Haftung gehöre, eine zahlungsunfähige Bank in die geordnete Insolvenz zu schicken, statt sie mit dem Geld von Sparern und Steuerzahlern davor zu bewahren. Eine Marktwirtschaft ohne eine drohend mögliche Insolvenz, die Fehlhandlungen sanktioniere, sei jedoch keine Marktwirtschaft. Zudem sei es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, dass die Banken als Teilnehmer am Privatrechtsverkehr von einer zur Insolvenz führenden Haftungspflicht befreit und dadurch privilegiert würden, während alle anderen Teilnehmer für ihre Entscheidungen haften müssten.
Die gefährliche Rolle der Zentralbanken heute
Durch die Zinspolitik der Zentralbanken werde das Preissystem der Wirtschaft zerstört. Deshalb würden unsere Gesellschaften ständig von Krisen (boom and bust) heimgesucht. Insgesamt seien die marktwirtschaftlichen Selbstreinigungs- und Lenkungskräfte durch staatlichen Zwang und durch die Zentralbanken im höchst wichtigen Finanzbereich weitgehend außer Kraft gesetzt. Daraus sei zwangsläufig ein weltweites Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen entstanden, das nie hätte entstehen können, wenn marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten worden wären. Das derzeitige Geldsystem führe so fast zwangsläufig zur Überschuldung von Staaten und Banken, die sich in diesem Prozess gegenseitig deckten, stützten und erpressten. Es gefährde die Marktwirtschaft und den freiheitlich-demokratischem Rechtsstaat.
Die neue Rolle der Zentralbanken
Wie Tofall darlegte, muss, wenn „systemrelevante“ Banken zusammenbrechen, nicht zwangsläufig auch zugleich der Zahlungsverkehr zusammenbrechen. Doch werde mit dieser Gleichsetzung immer gedroht und in der Bevölkerung Angst geschürt, um das Retten der Banken zu rechtfertigen. Daher müsse das Einzelinteresse der Geschäftsbanken, vor Haftung und Insolvenz bewahrt zu bleiben, getrennt werden vom Gesamtinteresse der Allgemeinheit, den Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten. Die Aufgabe, den Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten, wenn Banken zusammenbrechen und in das Insolvenzverfahren gehen, weist Tofall als „neue Rolle“ den Zentralbanken zu.
Staatsgarantie nur für Spargelder und bestehende Kredite an Unternehmen
Wie soll das gehen? Nach Tofall so: Erstens sei der Beschluss der G 20 vom November 2008 zu revidieren, keine „systemrelevante“ Bank zahlungsunfähig gehen zu lassen. Zweitens müssten die Regierungen, wenn Banken gerettet werden wollten und sie mit der Drohung, sonst einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, zu erpressen suchten, antworten: „Bitte, macht das. Für euch Banken gilt das gleiche Recht wie für alle anderen Unternehmen auch.“ Drittens übernimmt der Staat, wenn der Insolvenz gestellt ist, für die privaten Spareinlagen und für die Kredite, die Bank an Unternehmen vergeben hat, die Garantie. Vom Staat jedoch nicht abgedeckt werden Zahlungsverpflichtungen der insolventen Bank an andere Banken, die nicht die Konten der Kunden der anderen Bank betreffen, sondern gegenüber der anderen Bank direkt bestehen.
Die Zentralbank als Insolvenzverwalter
Viertens wird die Zentralbank, sowie die insolvente Geschäftsbank den Insolvenzantrag gestellt hat, deren Insolvenzverwalter, übernimmt dort die Führung und sorgt dafür, dass alle Zahlungen, für die eine staatliche Garantie vorliegt, ordnungsgemäß abgewickelt werden. Refinanziert werden diese Zahlungen wie auch gegenwärtig über die Zentralbank. Weder bricht dann sofort der Zahlungsverkehr zusammen, sondern bleibt aufrechterhalten, noch werden zeitgleich mit dem Insolvenzantrag einer solchen Bank ihre Computer abgestellt und die Leute entlassen. Durch einen Insolvenzantrag wird die rechtliche Abwicklung dieser Bank eingeleitet.
Keine Angst mehr vor einem Domino-Effekt
Der Zahlungsverkehr bricht selbst dann nicht zusammen, wenn, viel beschworen und Angst erzeugend, andere Banken mitgerissen werden sollten (Domino-Effekt). Zu einem Banken-Run wird es dann nicht kommen, Wenn der betreffende Staat oder in Deutschland die Bundesregierung gleich nach einem Insolvenzantrag die genannte Garantie übernimmt und die Medien den Vorgang in verständlicher Weise erklären, wird es zu einem Banken-Run nicht kommen. Dann, so Tofall, brauchten die Menschen vor einem Insolvenzantrag selbst der Deutschen Bank keine Angst mehr haben. Und würde als Folge eine zweite oder auch dritte Bank in Not geraten, wäre ebenso zu verfahren.
Das staatliche Geldmonopol abschaffen
Ferner setzt sich Tofall dafür ein, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen und zuzulassen, dass private Emissionsbanken konkurrierendes Privatgeld als Parallelgeld ausgeben dürfen. Auch das werde mit der neuen Rolle von Zentralbanken keinen Systemzusammenbruch provozieren. Der Übergang zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung sei evolutionär möglich, brauche aber Zeit. Auch eine marktwirtschaftliche Geldordnung könne sich nur schrittweise entwickeln. Gerade deshalb ist es für ihn die „die wichtigste liberale Forderung von heute“, konkurrierende Privatwährungen sofort zuzulassen, das staatliche Geldmonopol sofort abzuschaffen und damit einen allumfassenden Währungswettbewerb zu ermöglichen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, gerade weil auch die evolutionäre Entstehung einer marktwirtschaftlichen Geldordnung Zeit kostet.“ Denn es werde einige Zeit dauern, bis eine befriedigende Anzahl von privaten Währungsemissionsbanken, parallel zum staatlichen Währungssystem entstanden sei, die eine ausreichende Menge von gutem Geld ausgeben könnten. Und die Menschen benötigten natürlich Zeit, den Umgang mit verschiedenen unterscheidbaren Währungen im Alltag zu lernen und diese parallel zu den staatlichen Währungen zu verwenden.
Freies Marktgeld behauptet sich nur, wenn es gutes Geld ist
Das parallele Geld, das freie Marktgeld könne sich, so Tofall, nur behaupten, wenn es gutes Geld sei. Da niemand freiwillig schlechtes Geld annehme und halte, werde der sich entwickelnde Währungswettbewerb auch den Staat dazu anhalten, besseres Geld zu produzieren. Werde schlechtes Geld produziert und gutes Geld verschlechtert, würden die einzelnen Menschen, dies bestrafend, zu konkurrierenden Geldproduzenten abwandern. Dies sei im derzeitigen staatlichen Papiergeldmonopol nur höchst eingeschränkt und in der Regel nur für reiche Menschen möglich. Die individuelle Nachfrage nach gutem Geld würde bei einem allumfassenden Währungswettbewerb und der Möglichkeit für alle Menschen, die Produzenten von schlechtem Geld durch Abwanderung zu bestrafen, auch dazu führen, dass sich eine neue Geldordnung entwickelt, in der wegen des dann herrschenden Wettbewerbs die Möglichkeiten zur Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts beschränkt seien und dadurch die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Investitionsblasen sinke.
Natürlicher Zins contra Niedrigzinspolitik
Wer aber bestimmt über die Höhe des Zinses? Nach wie vor kann der Staat, wie Tofall ausführte, durch seine Zentralbank für sein eigenes Geld Zinssätze festlegen. Die evolutionäre Entstehung einer marktwirtschaftlichen Geldordnung werde es jedoch mehr und mehr erschweren, eine Niedrigzinspolitik durchzusetzen, die zwangsläufig Investitionsblasen entstehen lasse. Die privaten Emissionsbanken würden auf diese Zentralbankpolitik sofort durch höhere Zinsen, die sich auf Höhe des natürlichen Zinses einpendeln würden, reagieren und die Geldnachfrage so in ihre Privatwährungen lenken. Der Wert der staatlichen Währung würde sinken.
Eine Schuldenbremse, die wirksamer ist
Und was geschieht dann? Der Staat müsste, wenn die Kaufkraft seiner Währung gesunken sei und er seine Ausgaben decken wolle, entweder die Steuern erhöhen, sparen oder neue Kredite aufnehmen. Sollten er diese Kredite in der eigenen staatlichen Währung aufnehmen und sollten sie aus purer Geldschöpfung bestehen, werde die private Nachfrage nach der staatlichen Währung und somit ihr Wert erneut sinken. Dem könne der Staat dann nur durch höhere Zinsen entgegenwirken, wodurch sich die Rückzahlung dieser Kredite jedoch verteuere. Das heiße, der Staat werde durch das Zulassen konkurrierender Privatwährungen und eines allumfassenden Währungswettbewerbs gezwungen, eine nachhaltigere Haushaltspolitik zu verfolgen. Privatwährungen und Währungswettbewerb wären deshalb eine weit wirksamere Schuldenbremse als die Grundgesetzänderungen des Jahres 2009.
Tofall schloss mit dem Appell „Habt keine Angst! Fürchtet Euch nicht! Eine neue Geldordnung ist ohne Systemzusammenbruch möglich.“
Gutes Geld stützt sich auf ein Sachgut
Thorsten Polleit, der Chefvolkswirt der Bank Barclays Capital Deutschland, sprach in München darüber, dass Geld aus der spontanen Ordnung des freien Marktes und als Sachgut entstanden sein muss, dass der Tauschwert des Geldes letztlich auf ein Sachgut zurückzuführen ist (Regressionstheorem von Ludwig von Mises) und freies Marktgeld natürlicher- und notwendigerweise Sachgeld sei. Der Wirtschaftswissenschaftler Mises (1881-1973) habe erkannt: „Nur gutes Geld erlaubt eine dauerhaft friedvolle, prosperierende und freiheitliche Gesellschaftsordnung; schlechtes Geld zerstört die Grundlage für Wohlstand und Freiheit unweigerlich.“
Wann etwas als Geld akzeptabel ist
Geld, so führte Polleit weiter aus, werde (ausschließlich) zu Tauschzwecken nachgefragt. In einem freien Marktgeldsystem, hätten die Menschen die freie Wahl, was sie als Geld, was sie als allgemeines Tauschmittel akzeptieren wollten: „Was Geld ist, welche Qualität es hat und in welcher Menge es umläuft, wird bestimmt durch das freiwillige Angebot von Geld und durch die freiwillige Nachfrage nach Geld.“ Damit etwas als Geld akzeptiert werde, müsse es bestimmte Anforderungen erfüllen, nämlich knapp sein, haltbar sein, homogen sein, prägbar sein, wertgeschätzt sein und transportabel sein. Diese Anforderungen hätten Edelmetalle wie Gold und Silber, teilweise auch Kupfer, besonders gut erfüllt.
Kommt es mit freiem Marktgeld zu einem Geldchaos?
Aber, so Polleits rethorische Frage, würde eine solche Freiheit nicht zwangsläufig zu ungehemmter Geldmengenausweitung führen? Würde es nicht ein Geldchaos geben, würden nicht mit hunderte verschiedene Arten von Geld zirkulieren? Die Antwort: „Nein, Die Geldnachfrager werden nur das Gut als Geld nachfragen, von dem sie erwarten, dass es gutes Geld ist. Recht schnell würde es im Marktgeschehen eine ungeplante Übereinkunft geben, die de facto festlegt, was Geld ist: Ein Marktakteur wird seine Güter nur gegen das Geld eintauschen, von dem er erwarte, dass auch andere es als Geld ansehen werden.“ Geld zum Beispiel in Form von bedruckten und beliebig vermehrbaren Papierscheinen oder in Form von ebenfalls beliebig vermehrbaren und (auch elektronisch) bereitgestellten Krediten („fiat money“) werde sich daher nicht als Geld, nicht als allgemein akzeptiertes Tauschmittel etablieren können. Denn weil dieses Geld jederzeit beliebig und ohne Begrenzung vermehrbar sei, sei seine Werthaltigkeit nicht gesichert. Und das Bankgeschäft würde sich in einem System des freien Marktgeldes aufspalten in ein Einlagen- und in ein Kreditvergabegeschäft; beide Geschäftsbereiche wären (rechtlich) voneinander getrennt.
Aber freies Marktgeld steht vor hohen Hürden
Für Polleit ist das freie Marktgeld das Ordnungssystem, das dem Staatsgeldmonopol ökonomisch-ethisch überlegen ist. Allerdings stünden vor der Abkehr vom Staatsgeld hohe Hürden, zum Beispiel:
– Unwissen oder gar Ignoranz über die Schädlichkeit des Kreditgeldsystems halte davon ab, eine Reform des Geldsystems als dringlich anzusehen.
– Die Abkehr vom Kreditgeldsystem würde absehbar eine (schwere) Anpassungsrezession auslösen, denn die volkswirtschaftliche Produktionsstruktur sei durch das Kreditgeldsystem geformt bzw. verformt.
– Mit einem Privatisieren des Geldsystems ginge eine Vermögensumverteilung einher, und es würde Privilegien beenden.
Derzeit erscheint freies Marktgeld als aussichtslos
Auch Änderungen in der Wirtschaftspolitik wären dann fällig. Polleit zitierte auch hierzu von Mises: „Man irrt daher sehr, wenn man meint, man könnte wieder zu geordneten Währungsverhältnissen gelangen, ohne dass sich in der Wirtschaftspolitik Wesentliches zu ändern brauchte. Was zunächst und in erster Linie nottut, ist die Abkehr von allen inflationistischen Irrelehren. Doch diese Abkehr kann nicht von Dauer sein, wenn sie nicht durch vollständige Loslösung des Denkens von allen imperialistischen, militaristischen, protektionistischen, etatistischen und sozialistischen Ideen fest begründet wird.“ Diese Hürde ist gewaltig. Sie zu überwinden, erscheint derzeit aussichtslos. Die politischen Machthaber werden dieses ihr Lebenselexier freiwillig nicht hergeben. Also eine Utopie, dieses freie Marktgeld? Nichts ist so aussichtslos, dass man nicht trotzdem zeigen muss, dass es eine Alternative gibt, für die einzutreten und zu werben notwendig ist. Die Merkels dieser Welt und die Menschen, die von ihnen regiert werden, müssen wissen: Alternativlos ist das bestehende ruinöse Staatsgeldmonopol nicht.
Wird fortgesetzt