Die neue Steuerschätzung verstärkt ihn
Hässliche Tatsachen verderben die schönsten Absichten. Droht das nun auch den steuerpolitischen Versprechungen der FDP, die sie vor der Bundestagswahl gemacht hat und die sie weiterhin bekräftigt, weil sie eben auch darum zum Mitregieren gewählt worden ist? Die gerade nach unten korrigierte Schätzung der Steuereinnahmen für das laufende Jahr 2009 ist eine solche hässliche Tatsache und verstärkt den Widerstand gegen die vereinbarten Steuersenkungen. Wird sich die FDP gezwungen sehen, ihre Wähler in der Steuerpolitik der finanzpolitischen Tatsachenwelt gar zu verraten? Kaum nämlich war die Wahl vorbei und die neue Bundesregierung etabliert, setzte der öffentliche, politische Druck auf die FDP ein und zwar gerade aus den Reihen des CDU-Koalitionspartners.
Widerstand aus den Bundesländern
CDU-Ministerpräsidenten taten kund, dass sie die vorgesehenen Steuersenkungen (24 Milliarden Euro von 2010 an) wegen der horrenden Staatsverschuldung für verfehlt halten. Stanislav Tillich (Sachsen) gehörte dazu, Ole von Beust (Hamburg), Roland Koch (Hessen) und Christine Lieberknecht (Thüringen). Einer von ihnen, Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) drohte gar mit einer Verfassungsklage, wenn Steuergesetze des Bundes ein Bundesland zwängen, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen. Ein Konflikt über die deutsche Steuersenkung bahnt sich auch zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission an (FAZ vom 4. November).
Auch Merkel und Schäuble wollen eigentlich nicht
Schon dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Amt des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble betraute, ist ein Anzeichen dafür , dass sie glaubt, mit ihm als harten Knochen Widerstand gegen die FDP-Steuerpläne aufbauen und durchsetzen zu können. In seinem ersten Interview als Bundesfinanzminister zeigte er, die FDP schonend, vorsichtig nur erst Skepsis, ließ aber doch gleich wissen, ein Freund des (von der FDP gewollten) Stufentarifs bei der Einkommensteuer sei er nicht (FAZ vom 31. Oktober). Wohl sagt Schäuble, natürlich wolle die Regierung eine Steuerreform wie im Koalitionsvertrag vereinbart, aber es läge an den Bundesländern, ob sie umsetzbar sei. Auch Angela Merkel schiebt ein mögliches Scheitern vorsorglich den Ländern in die Schuhe: Eine Steuerreform „auf Punkt und Komma“ will sie nicht garantieren, weil „noch Andere mitwirken, die nicht Teil der Koalitionsvereinbarung sind“. Damit meint sie die Bundesländer.
Westerwelle pocht auf Vertragstreue
Der FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle pocht gleichwohl und um so vernehmbarer auf Vertragstreue. Nach dem Unterzeichnen des Koalitionsvertrages zwischen FDP und den Unionsparteien hatte er sich geradezu euphorisch gegeben. Die Unterschriften unter dem Vertrag war kaum getrocknet, da vernahm man von ihm, alles, aber auch alles habe die FDP im Vertrag durchgesetzt. Hat sie? Was zum Beispiel hat sie aus ihrem Wahlprogramm in der Steuer- und Finanzpolitik wirklich durchgesetzt?
Aber was hat die FDP im Koalitionsvertrag wirklich durchgesetzt?
Die Einkommensteuer will die FDP im Wahlprogramm mit einem Drei-Stufen-Tarif vereinfachen. Für Unternehmen gleich welcher Rechtsform sieht ihr Programm einen Zwei-Stufen-Tarif von 10 und 25 Prozent vor. Im Vertrag findet sich davon allerdings nichts. Aber durchgesetzt hat sie eine Reihe von Steuererleichterungen. Ebenso findet sich im Vertrag das Versprechen: „Wir werden das Steuerrecht spürbar vereinfachen und von unnötiger Bürokratie befreien. Davon werden alle profitieren.“ Und dann sind neunzehn Einzelmaßnahmen aufgeführt.
Die Regelungen bei der Erbschaftsteuer sollen entbürokratisiert, familiengerechter, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher werden. Für die Unternehmensbesteuerung enthält der Vertrag einige „mittelfristige Ziele“ mit dem Stichwort „Steuerpolitik ist auch Standortpolitik“. Aufgaben der Daseinsvorsorge sollen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich belastet werden.
Ausgedünnt ist das FDP-Ziel, die Umsatzsteuerabführung der Unternehmen an die Finanzämter von der Soll- auf die Ist-Besteuerung umzustellen. Im Vertrag liest man dazu: „… werden wir im Verlauf der Legislaturperiode unter Einbeziehung der europäischen Vorgaben prüfen, ob und in welchem Umfang das Prinzip der Ist-Besteuerung der Umsätze ausgeweitet werden kann.“ Dabei ist es in der Tat fällig, dass Unternehmen diese Steuer erst dann abführen, wenn ihre Rechnungen wirklich bezahlt sind, zumal auch die Vorsteuer erst nach Bezahlen der Rechnungen in Anspruch genommen werden kann.
Schäuble wird etliches zu verwässern wissen
Immerhin, schon von 2010 an verspricht der Koalitionsvertrag eine Steuererleichterung von rund 21 Milliarden Euro. Auf diesen Betrag belaufen sich die bereits beschlossene Einkommensteuerentlastung, das Sofortprogramm für Familien, die Änderungen der Unternehmenssteuerreform und der Erbschaftsteuer. Das und vieles andere trägt durchaus die Handschrift der FDP. Aber man muß auch genau hinsehen und unterscheiden zwischen „Wir werden“ und „Es sollen“ und „Wir wollen“ und „Wir werden prüfen“. Das Sollen, Wollen und Prüfen zeigt, daß sich die CDU hier nach wie vor sperrt, nur mißmutig mitmacht. Schäuble als Finanzminister wird in den kommenden vier Jahren etliches zu verwässern wissen.
In der Haushalts- und Finanzpolitik hat sich die FDP in ihrem Wahlprogramm so allgemein ausgedrückt, dass es mit dem, was dazu auch im Koalitionsvertrag und ebenso allgemein steht, nicht kollidiert und sich ebenfalls als Durchsetzungserfolg darstellen läßt.
Kein Erfolg mit dem Bürgergeld-Vorhaben
So gut wie keinen Erfolg hat die FDP mit ihrem Bürgergeld- Vorhaben. Es sieht vor, die staatlichen Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter und die Sozialhilfe (ohne die in besonderen Lebenslagen) in einem einzigen Transferbetrag („Bürgergeld“) pauschaliert zusammenzufassen und nur noch von den Finanzämtern auszahlen lassen. Hierzu heißt im Koalitionsvertrag nur: „Die Koalition nimmt sich vor, die vielfältigen und kaum noch überschaubaren steuerfinanzierten Sozialleistungen darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang eine Zusammenfassung möglich ist. In diese Prüfung wird auch das Konzept eines bedarfsorientierten Bürgergeldes einbezogen.“
Nein, Herr Westerwelle, alles durchgesetzt hat die FDP nicht. Wie denn auch? Aber ihre Wähler „verraten“ hat sie bisher nicht. Immerhin sind es Schritte in eine ob der Umstände vertretbare Richtung mit guten Vorsätzen. Steuersenkungen sind trotz der Schuldenlast nötig und gut begründbar.*) Aber ob sie und eine „Reform“ verwirklicht werden, sich verwirklichen lassen oder nur schöner Schein bleiben, steht noch nicht fest.
*) Siehe hierzu meine drei Beiträge vom 1. Oktober (Die sanfte Tour für höhere Staatseinnahmen – Gute Bedingungen schaffen und Steuern senken), vom 28. August (Steuern senken? Steuern erhöhen? Oder … oder? – Eine irrlichternde Debatte vor der Wahl) und vom 15. Mai (Eine gespenstische Debatte – Kein Geld für Steuersenkungen, aber viel für dicke Konjunkturpakete)
Ein Kommentar zu „Widerstand gegen die Steuersenkungen der FDP“