Der stets vergessene, unverzeihliche Fehler
Gefallen, die Mauer, vor zwanzig Jahren. Die Feiern von gestern haben wir hinter uns, das Gedenken, die Veranstaltungen, die Reden. Auch der vielen Fehler beim wirtschaftlichen Wiederaufbau in den „neuen Bundesländern“ wurde gelegentlich gedacht. Aber gerade da fehlte etwas.
Gewiss spielte vieles eine Rolle, warum in dem sozialistisch ruinierten Teil Deutschlands der sich selbst tragende Aufschwung noch immer nicht eingetreten ist, warum sich für zuviele Menschen statt des erhofften Wirtschaftswunders ein wirtschaftlicher Zusammenbruch einstellte: die zu schnelle Währungsunion, der gutgemeinte, aber falsche Umstellungskurs von DDR-Mark auf D-Mark, die zu raschen, marktfernen Lohnsteigerungen, eine falsche Steuerpolitik, die missratene Rückführung der verstaatlichten („volkseigenen“) Betriebe durch eine unfähige und teils auch korrupte Treuhandanstalt …
Die Verweigerung der Eigentumsrückgabe
Aber ein entscheidender Fehler wird nie erwähnt wird, und auch jetzt geschah es nicht: Die Wiedervereinigungspolitiker und ihre Parteien haben diese Betriebe, die die Kommunisten den Eigentümern nach 1945 entschädigungslos entrissen haben, von 1990 an nicht schlicht an die Eigentümer wieder zurückgegeben, sondern wollten sie meistbietend verhökern, um mit dem Erlös die Kosten der Wiedervereinigung zu bestreiten.
Über 200 Milliarden Euro in den Sand gesetzt
Das aber ging gründlich in die Hose. Wirklich ernsthafte Investoren blieben aus oder wurden, wenn sie „Alteigentümer“ waren, ausgesperrt, Glücks- und Raubritter, auch Betrüger trieben ihr Unwesen, die meisten Betriebe wurden plattgemacht, und die Treuhand hat aus dem Verkauf des Hehlergutes statt eines großen Gewinns nach den einstigen Angaben des früheren Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl einen Verlust von 270 Milliarden DM (138 Milliarden Euro) eingefahren. Nach Helmut Schmidt waren es sogar noch weit mehr. In einem Interview des Fernsehsenders Phönix widersprach er Pöhls Zahl: „Nein, es waren 400 Milliarden.“ Umgerechnet also 204,5 Milliarden Euro.
Rückkehrwillige Eigentümerfamilien ausgesperrt
Die meisten Betriebsstätten von Mittelstand und Industrie haben in der DDR weiter bestanden. Auch 1990 gab es sie noch. Nur waren sie durchweg veraltet und heruntergewirtschaftet. Doch hat sie der Staat nicht den rückkehrwilligen Eigentümerfamilien anvertraut, sondern sie an andere Personen verscherbelt, die sich vielfach nur an den im Osten gewährten Subventionen bereichern oder die Betriebe ausschlachten wollten oder auch beides. Oder er gab sie in die Hände von westdeutschen Unternehmen, die sie häufig nur deshalb übernahmen, um sie letztlich stillzulegen, sich auf diese Weise ostdeutsche Konkurrenz vom Leib zu halten und „den Osten“ nur als neuen Absatzmarkt auszuschlachten.
Opferbereitschaft und Heimattreue nicht genutzt
Törichter und verantwortungsloser hätte der Staat nicht handeln können. Von Anfang an haben seine Politiker und Parteien nicht wahrhaben wollen, wer die Wirtschaft entscheidend trägt und prägt: Die wichtigste Säule der Wirtschaft sind nicht die Großunternehmen, sondern die Unternehmen des wirtschaftlichen Mittelstands. Ungenutzt ist auch die große Opferbereitschaft und Heimattreue dieser Mittelständler geblieben, die anders als die vielen von der Treuhand gehätschelten Glücksritter nicht auf den schnellen Gewinn oder den großen Reibach aus waren, sondern entbehrungsreiche Aufbaujahre hinzunehmen sich nicht gescheut hätten.
Enteignungsopfer mindestens 1,8 Millionen Menschen
Aus dem Kreis der Opfer des Vermögensraubes sind rund 625 000 Rückgabeanträge registriert worden. So geht es aus dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 3. März 2000 an das Bundesverfassungsgericht hervor (Geschäftszeichen: VA5-O1314 VB-8/95). Dahinter stehen bis zu 625 000 Familien. Würde jede dieser Familien nur aus 3 Mitgliedern bestehen, beläuft sich die Zahl dieser Opfer auf mindestens 1,875 Millionen Menschen. Was sie hätten zurückbekommen müssen, waren Betriebsgrundstücke und Betriebe von Industrie, Gewerbe, Handwerk und Handel, Agrar- und Forstland, Häuser, Villen, Gutshäuser, Herrensitze, Schlösser. Die bloße Zahl der insgesamt beanspruchten Vermögenswerte in den neuen Bundesländern hat das Finanzministerium damals mit 2,5 Millionen angegeben. Unter den Enteignungsopfern waren etwa ein Drittel landwirtschaftliche Grundbesitzer – als „Junker“ diffamiert – und zwei Drittel überwiegend mittelständische Betriebsinhaber aus Handwerk, Handel und Gewerbe. Die früher genannte Zahl von insgesamt 18 000 Enteignungsfällen ist weit untertrieben. Sie stammt aus einem DDR-Weißbuch von 1953 und diente erkennbar der Verharmlosung.
Hunderttausend fehlende Unternehmen
Am 21. August 2005 hat Cornelia Pieper, Generalsekretärin der FDP und Bundestagsabgeordnete, im Fernsehen bei „Sabine Christiansen“ bedauert, dass in den neuen Bundesländern 100 000 Unternehmen fehlen. Die fehlen dort aber schon seit 1990. Diese Lücke hätte sich zu einem großen Teil, wenn nicht gar zum größten, schließen lassen. Aber die Regierung, der Bundestag, die Gerichte, die Parteien, die Mehrheit der Medien haben dies verhindert: mit der Weigerung, den einst vertriebenen und verfolgten Unternehmerfamilien ihr geraubtes Eigentum, die Betriebe, zurückzugeben. Tausende Mittelstandsunternehmer wären zurückgekehrt, hätten ihr Eigentum wieder in Besitz genommen und die Unternehmen wieder aufgebaut.
Was eine DDR-Bürgerin an Frau Merkel schrieb
Am 25. August 2005 schrieb die einstige DDR-Bürgerin Karin Rohde-Höfig an die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die Bundeskanzlerin werden wollte: „Sie kennen die Entwicklung nach dem Krieg im Westen Deutschlands, das sogenannte Wirtschaftswunder. So hätte es auch im Osten nach der Wiedervereinigung aussehen können. Die Motivation der verunglimpften „Alteigentümer“, ihre Investitionsbereitschaft in der alten Heimat wurde regelrecht mit Füßen getreten! Altkader und „Rote Barone“ hat man dagegen gehätschelt und ihnen mit Samthandschuhen zu Wohlstand verholfen. Prima, nun haben Sie den Salat!“
Dann schrieb Frau Rohde, wieviele Raubopfer als Investoren ausgesperrt wurden: „Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, um welche Dimension es sich dabei handelt? Ich bin Ihnen dabei gern behilflich: 7136 Großgrundbesitzer, 4278 bäuerliche Betriebe unter 100 Hektar, 610 000 Fabriken, mittelständische Unternehmen, Privatpersonen; dazu kommen 70 000 Siedler, die durch die BRD enteignet worden sind. Alle haben Familien, Kinder, Enkel, Freunde und Sympathisanten. Das ist also eine ganz simple Rechenaufgabe. Sie reisen kreuz und quer durch Deutschland, bemühen sich um jede Stimme, diskriminieren aber Tausende von potentiell konservativen Wählern. Das ist Ihr Problem. Im Jahre 2002 fehlten Ihrer Partei nur 6.000 Stimmen, von wem wohl?“
Eigentumsrückgabe verweigert mit Lug und Trug
Mit der Wiedervereinigung haben Politiker, Behörden und Gerichte brutal verhindert, dass die vertriebenen Familien dieses Mittelstands zurückkehren und sich am Wiederaufbau beteiligen konnten. Mit Lug und Trug hat ihm die einstige Kohl-Regierung die Rückgabe seines von den Kommunisten geraubten Eigentums verweigert. Somit fehlt in den fünf neuen Bundesländern, heute „Ostdeutschland“, der wirtschaftliche Mittelbau in seiner vollen Breite nach wie vor. Versuche, trotzdem an die Stätten früheren wirtschaftlichen Wirkens zurückzukehren, wurden und werden von den staatlichen Stellen, einstigen DDR-Sozialisten und borniert-angepassten „Wessis“ mit ignorant-verbohrter Verbissenheit ungemein erschwert oder ganz unterbunden.
Abbau-Ost statt Aufschwung-Ost
Wer über sein ihm zustehendes Vermögen nicht verfügen darf, kann nicht investieren. Die schlimme Folge: Häuser verfallen, Grundstücke bleiben ungenutzt und verkommen, Unternehmen in Handwerk, Handel und Gewerbe werden nicht gegründet, Betriebe nicht errichtet oder nicht wieder aufgebaut, Arbeitsplätze nicht geschaffen, Einkommen nicht ermöglicht, Steuereinnahmen verhindert. Auch so wurde der Aufbau Ost zum Abschwung Ost – und noch nicht einmal zu einem neuen Aufbau-West.
…dem ist nichts hinzuzufügen außer, beim Volk ist Kritik an dieser politischen Fehlleistung wenig zu erkennen und wenn, dann mit der Reaktion: „Wenn mein Staat diesen Leuten ihr Geld mit Billigung des obersten deutschen Gerichts (B.Verf.G.) wegnimmt und es an uns verteilt, was soll ich dagegen haben? Man lehrte in meiner Jugend so etwas einzuordnen unter den Begriff: Verkommen.
Ihr Justus
…welche Informationen hat die deutsche Öffentlichkeit über diese haarsträubenden Vorgänge?
Was wird ihr verborgen? Was weiß die Jugend?
Am 08.09.2009 hatte ich nach Einladung des Gymnasiums Luckenwalde bei Berlin die Gelegenheit, als „Auftaktveranstaltung der Lesung in Schulen“ aus dem Buch „Im Strom der Zeit“ Bd. 2, vertriebener Mittelstand-verlorene Arbeitsplätze, der gebremste Aufbau Ost, vor ca. 110 Schülern und mehreren Gästen zu lesen.“Das haben wir so nicht gewußt“, war die Reaktion vieler. Info über dieses Buch in der Webseite http://www.drkoebeconsult.com, Rubrik „Bücher“.
Hermann Koebe IV., Brühl/Baden (Mitautor)