To Pingsten, ach, wie scheun

Ein Ausflug zu Pfingsten vor über hundert Jahren und zugleich eine Erinnerung an den Hamburger Humoristen Heinz Köllisch

Der Pfingstausflug hat Tradition. Und ob  über die Ausflügler währenddessen der Heilige Geist kommt, wie es zu Pfingsten die christliche Tradition ihren Gläubigen verheißt, mag zu hoffen sein, wird aber sehr vielen wohl nicht mehr bewusst sein. Für sie zählt: Pfingsten ist arbeitsfrei, ein gesetzlicher Feiertag. Spielt dann das Wetter mit, ist der Ausflug angesagt. Das ist schon lange so. Wie ein solcher Ausflug vor über hundert Jahren in Hamburg (und wohl auch woanders in Deutschland) ablief, hat damals der Hamburger Parodist, Couplet-Sänger und Gründer eines Vergnügungslokals auf dem Hamburger Spielbudenplatz Heinz Köllisch in Versform geschildert. Auf Plattdeutsch. Wer es sich zutraut, De Pingsttour trotzdem zu lesen und zu verstehen, wird vielleicht seinen Spaß daran haben, das Damals mit dem Heute zu vergleichen. Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt. Köllisch lebte von 1857 bis 1901.

Wenn de Natur so greun

To Pingsten, ach wie scheun, – wenn de Natur so greun,
un all’ns na buten geiht, dat is een wohre Freid!
besünners vör de Göörn, – de heurt man räsoneern:
Weur Pingstn doch erst bloß- denn goht wie los!
Kümmt nu Pingstobend ran, – denn geiht’n Leben an,
de Mudder seept de Görn – vun achtern un vun vörn,
sünds wuschen nu un kämmt, – denn kreegt se`n reinet Hemd,
un denn geiht mit Gejuch – rin in de Puch!
De Vadder nu ton anner’n Morg’n – deit sick mit Proviant versorg’n:
Eier, Käs, Wust un Schinken, – ook verschiedenerlee to drinken.
Dormit keen Minsch de Tied verslopt, – treckt he noch den Wecker op,
un anner’n Morgen gegen soß, – dor schippert los de Troß.

All’ns sauber un mit Schick

De Vadder geiht voran, – een witte Maibüx an,
sien Jung kummt in de Mitt, – natürlich ook in Witt,
dorbi hebbts op den Kopp – een fien’n Strohhoot op,
all’ns sauber un mit Schick, – grood wie gelickt.
Un nu kummt achterher – mit’t allerlüttste Göör,
in groot’n Kinnerwog’n – de Mudder angeschob’n.
De Dochter mookt den Sluß, – stolt, voller Hochgenuß,
in Arm mit ehren Freier, – een Piependreiher.
Een jeder, wehrnd se nu marscheert, op eeg’ne Fuust sick amüseert:
De Vadder vör, de kippt sick een, – de Jung dor achter grapst Sireen,
de Mudder mutt so in‘ Gedräng’n – den Lüttsten öfter dreug mol legg’n,
dat Liebespoor kummt achterher, de snackt von em un ehr.

Dormit dat beter rutscht

So geiht’t bitt Quellndol, – dor leggt man sick nu dohl
in’t scheune weeke Moos, – nu geiht dat Futtern los.
Een jeder matt un meud – langt no de Bodderbreud,
se fallt doröber her – grood as so’n Bär.
Dormit dat beter rutscht, – ward ut de Buddels lutscht,
de Vadder un de Söhn, – de hollt sick an den Kööm,
un ook de Piependreiher – is op den Buddel Freier,
de Dochter un de Froo – mookt’t ebenso.
Bi lütt’n ward de Krom fidel, – man heurt jem sing’n ut vuller Kehl:
Vun Edelweiß, de Wacht am Rhein, de Fischerin un Komm‘ Se rein!
De anner Siet de blarrt jedoch: Lebt denn meine Male noch?
Im Grunewald ist Holzauktion! Un denn noch Revolutschon.

De scheune witte Büx

Na endlich, no den Suus, – dor geiht dat nu to Huus,
de Vadder un sien Söhn – sünd nüdlich antosehn,
de scheune witte Büx – süht ut wie Stebelwix,
de Strohheud sünd so slapp – wie oles Papp.
De Brögam un de Brut, – de seht erst lecker ut!
De harr’n, wat sull’n se mooken, – sick beid‘ in’t Hei verkropen.
Dat allerlüttste Göör – weur dorchnatt dör un dör,
de Mudder weur so natt – as wie so’n Katt.
De een schuwt achtern annern her grood wie de Geus, se könt nich mehr!
Un dorbi alle Ogenblick verswind mol eener achtern Knick.
Grood wie gerädert un half dood kummt se denn endlich an de Bood.
So ward in Hamborg Pingst’n fiert un sick fein amüsiert.

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Verklaarn (Erklärung) för Hochdüütsche un Ingelsche
• seepen: mit Seife waschen – wash with soap
• Göörn: Kinder – children
• besünners: besonders – special
• Puch: Bett – bed
• Tied: Zeit – time
• witte Maibüx – weiße Maihose – white trousers, weared in may
• Piependreiher: Pfeifenmacher – pipe maker
• Brögam: Bräutigam . bride-goom
• grapsen: greifen – to grip
• Sireen: Flieder – Syringe
• dreug: trocken – dry
• Quellndol: Rodenbeker Quellental (Landschaft im Alstertal – Landscape in the Alster valley
• Kööm: Schnaps – liquor
• Buddel: Flasche – bottle
• vun boben dohl: von oben herab – from above
• deebe: tiefe – deep
• Mäkens: Mädchen – girls
• Geus: Gänse – geese
• Bood: Bude/Wohnung – flat

Näheres über Heinz Köllisch hier.

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Ein Kommentar zu „To Pingsten, ach, wie scheun“

  1. Beseelt durch Pfingsten und die hier so erheiternd dargebotene Verskunst erlaube ich mir, eine demselben freien Geist entsprungene Version eines für den Orient integrationstauglich gemachten Gedichtes aus Hoffmanns gediegener Erziehungslyrik vorzulegen:

    „Machmut“, sprach die Frau Mama,
    „Geh jetzt fort; ich bleibe da.
    Tanze an und bleibe fromm,
    bis auch ich nach Deutschland komm‘.
    Und vor allem, Machmut, hör‘,
    fasse nicht nach jeder Gör‘!
    Sonst kommt mit der großen Scher‘
    Ali Papa schnell daher,
    Kopf und Zipfel schneidet er
    ab, als ob Papier es wär‘.“

    Fort geht Machmut, heiter sehr,
    schnappt per Handy sich ne Gör,
    die ihm spricht ein ‚Welcome‘ aus
    und auch noch: ‚Come in my house!‘
    Doch Machmut, sehr unbedacht,
    übersah des Vaters Macht,
    der heimlich, den ganzen Lauf,
    paßte auf den Machmut auf.
    Ali Papa zürnt dem Bub:
    Jetzt ist’s wirklich mir genug.

    Weh! Jetzt geht es klipp und klapp,
    mit der Scher‘ so manches ab,
    mit der großen scharfen Scher‘!
    Hei! da schreit der Machmut sehr.
    Als er später kommt nach Haus,
    sieht die Mutter traurig aus.
    Ohne Nüsse steht er dort,
    die sind alle beide fort.

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