Was sind die Auflagen im ESM-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wirklich wert? Einige kritische Kommentare zum Urteil
„Im Namen des Volkes.“ Mit diesen vier Worten leitet das Bundesverfassungsgericht seine Urteilsverkündungen üblicherweise ein. So auch am 12. September sein Urteil zu den Verfassungsklagen gegen den ESM und Fiskalpakt. Wirklich im Namen des Volkes?
Den Umfragen zufolge lehnt das deutsche Volk in seiner Mehrheit den ESM mit dessen zu erwartenden Folgen ab. Insofern klingt diese Formel hohl. Gewiss, Gerichtsurteile dürfen sich nicht nach Volkes Mehrheitswillen richten, sondern nach Gesetz und Recht. Und soweit Gesetz und Recht mit Volkes Willen zustande gekommen sind, ist die Formel gerechtfertigt. Aber gemessen an dem, was es wünscht, war das Volk in seiner Umfragemehrheit vom Urteil enttäuscht: Die Verfassungsrichter haben ESM und Fiskalpakt nicht für grundgesetzwidrig erklärt, sondern gebilligt, wenn auch unter Bedingungen gestellt. Aber was sind diese Bedingungen wirklich wert? Wer – wie geschehen – Verträge bricht, bringt es auch fertig, sich Bedingungen zu entziehen. Kritische Urteilskommentare legen den Finger auf diese Wunde. Sie ist nicht geschlossen, sondern offen.
Sorgen vor einem eilfertigen Bundestag
Das Finanzmagazin „Smart Investor“ zum Beispiel schreibt: „Uns jedenfalls ist kein ernsthafter Kommentator bekannt, der den ESM-Vertrag juristisch (!) – und darum ging es – aus voller Überzeugung als verfassungskonform eingestuft hätte. Nicht einmal das BVerfG selbst konnte das „nach summarischer erster Prüfung“ in den heutigen Beschlüssen zu den Eilverfahren – im Zweifel für die Politik. Es ist entlarvend für den Zustand unseres Gemeinwesens, dass den Richtern um Voßkuhle ohnehin kein ernsthafter Widerstand zugetraut wurde. Die Überlegungen im Vorfeld verdichteten sich auf die Frage, mit welchen juristischen Verrenkungen das BVerfG es schaffen würde, den ESM-Vertrag doch noch irgendwie auf den Schienen zu halten. Nicht einmal gemessen an seiner eigenen früheren Rechtssprechung ist dies gelungen. Die Begrenzung der deutschen Haftung auf „nur“ 190 Mrd. EUR hat erkennbar Alibi-Charakter, da der Bundestag mit volkskammerähnlichen Mehrheiten auch künftigen Ausweitungen eilfertig zustimmen wird – und die kommen so sicher wie das Amen in der Kirche.“
Wer in der EU auf das Recht setzt, verliert
Unter der Überschrift „Wer in der EU auf das Recht setzt, verliert“ heißt es weiter: „Der Einzige, von dem die Einhaltung von Recht und Gesetz in der EU noch erwartet, ja gefordert wird, ist der Bürger selbst. Die Euro-Politik dagegen zeigt sich immer deutlicher (zuletzt auch in Gestalt der EZB) als jenseits von Recht, Gesetz, Vertrag und Mandat. Sie ist ihrem Wesen nach diktatorisch. Die Rolle von Gerichtsbarkeit und Medien ist in einer solchen Diktatur darauf beschränkt, zu rechtfertigen und das Volk still zu halten. Die bittere wechselseitige Kausalität des überschuldeten Staates lautet: Er ist auf die Finanzindustrie als Absatzkanal ebenso angewiesen, wie die Finanzindustrie auf eine Politik in deren Sinn – eine perfekte Symbiose. Dem Bürger als „Souverän“ bleibt bei diesem abgekarteten Spiel im eigenen Haus nur noch die Rolle des fassungslosen Zaungasts, dessen Mitwirkung sich darauf beschränkt, sich möglichst geräuschlos um seine Lebensersparnisse bringen zu lassen.“ Der ganze Text hier: http://www.smartinvestor.de/weekly/artikel/smart-investor-weekly-372012-nach-dem-spruch-welche-realitaet-wir-jetzt-anerkennen-muessen.html
Was nützen mehr Rechte, wenn die Abgeordneten sie nicht wahrnehmen?
In dem Blog „Fiktionen und Fakten“ ist zu lesen: „Das Bundesverfassungsgericht verlangt Änderungen zu Bestimmungen in den Artikeln 8, 32, 34 und 35 des ESM-Vertrages, die völkerrechtlich verbindlich sein müssen. Dennoch: Was bedeuten mehr Rechte für den Bundestag, wenn über 2/3 der Bundestagsabgeordneten fröhlich vor sich hin schlafen und im Parteien-Gehorsam die Gesetzesentwürfe der CDU-CSU-FDP-Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel desinteressiert und ahnungslos abnicken? So, wie beispielsweise am 29. Juni 2012 mit den ESM-Gesetzesvorlagen geschehen. Fraktionsgehorsam, Fraktionsdisziplin, Fraktionszwang, mit denen die Abgeordneten von Parteiführungen, Fraktionsführungen und vom Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla unter Druck gesetzt werden, verstoßen gegen das Grundgesetz. Die Opposition hat ebenso versagt. Die Abgeordneten von SPD und Bündnis90/Die Grünen haben sich ihren Parteiführungen gegenüber genauso willfährig verhalten, wie die der Regierungskoalition. Die wenigen Abgeordneten, die stark genug waren, gegen die Gesetzesvorlagen zu stimmen, wurden niedergemacht. Ihnen und denjenigen, die in Karlsruhe geklagt haben, gebühren Bundesverdienstkreuze. Verliehen und umgehängt von einem Bundespräsidenten, den das Volk direkt gewählt hat.“ Der ganze Text hier: http://istdaswirklichso.blogspot.de/
Furcht, dass der Bundestag hinnimmt was die Regierung ihm vorlegt
Zur Willfährigkeit der Abgeordneten hat sich nach dem ESM-Urteil auch der Rechts- und Staatswissenschaftler Hans-Herbert von Arnim in einer Interview der Tageszeitung „Die Welt“ geäußert.
Die Welt: Ist es eine Niederlage für die Kläger, dass ihre Klagen abgewiesen wurden?
Arnim: Nur teilweise. Denn die Klagen wurden zwar abgewiesen, aber mit gewissen Einschränkungen für die Politik. Dazu zählt etwa der Punkt, dass die deutsche Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro nicht mehr ohne Zustimmung des Bundestages ausgeweitet werden kann. Die wenigsten haben bisher bemerkt, dass das Gericht die Immunität der Mitarbeiter des ESM, die im ESM-Vertrag steht, zumindest teilweise aufgelockert hat.
Die Welt: Wie geschieht das?
Arnim: Indem die Schweigepflicht, die den Mitarbeitern des ESM, dem Gouverneursrat und dem Direktorium vertraglich auferlegt wird, gegenüber dem Bundestag nicht mehr gilt. Sie müssen den Bundestag vollinhaltlich informieren, also über Akten, Dokumente und Protokolle. So wird wenigstens eine politische Verantwortlichkeit für mögliches Fehlverhalten realisiert.
Die Welt: Das setzt voraus, dass der Bundestag von diesen Rechten auch Gebrauch macht.
Arnim: In der Tat. Es hängt jetzt alles am Bundestag. Das Gericht hat alle Kompetenz in die Hände der Abgeordneten gelegt. Die Frage ist, ob sie dort in guten Händen ist. Da herrscht auch in der Öffentlichkeit Skepsis, nicht zu Unrecht, wie ich finde. Ich fürchte, dass der Bundestag auch in Zukunft dazu tendiert, das abzusegnen, was die Bundesregierung ihm vorlegt.
Der ganze Text hier: http://www.welt.de/politik/deutschland/article109184229/Es-gibt-faktisch-keine-finanzielle-Grenze-mehr.html
Anderswo wird längst gehandelt: Die EZB kauft unbegrenzt Staatsanleihen
Thomas Darnstädt in Spiegel Online schreibt: „So deutlich war nie, dass das Staatstheater von Karlsruhe seine besten Zeiten hinter sich hat. Das große Zeremoniell der Acht in den Roten Roben ist hohl geworden. Da versammelt sich die Gemeinde andächtig im Großen Sitzungssaal, um sich das Verhältnis von Europa zur Demokratie des Grundgesetzes erklären zu lassen. Doch jeder im Saal weiß, dass es im Europa der Währungsunion zurzeit auf diese Demokratie gar nicht ankommt. Denn andernorts wird längst gehandelt. Die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank, das ist seit Tagen klar, werden der Demokratie des Grundgesetzes Schuldenlasten und Stabilitätsrisiken von ungeahnten Dimensionen bescheren. … Deutlicher als an diesem Mittwoch ist nie geworden, dass Karlsruhe sich an Europa übernommen hat. Das Verfassungsgericht wird Europa und alles was dazu gehört nicht stoppen, weil es das gar nicht kann.“ Der ganze Text hier:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kommentar-zum-esm-urteil-das-ueberforderte-gericht-a-855377.html
Die EZB als Zuflucht
Dass die EZB übernimmt, was das Urteil dem ESM verwehrt, sieht auch Andreas Fisahn. Das innovative Finanzierungsinstrument, das im ESM-Vertrag angelegt sei, habe das Gericht der Bundesregierung und damit der EU-Kommission mit seiner Entscheidung aus der Hand geschlagen. Er folgert: Letztlich wird man deshalb wohl kaum darum herumkommen, dass die EZB als „lender of the last resort“ (Kreditgeber der letzten Zuflucht) eingreift und Staatsanleihen von ins Wanken geratener Staaten in „unbegrenzter Höhe“ aufkauft, wie das Draghi angekündigt hat. Die Absurdität besteht darin, dass die EZB nur Staatsanleihen auf dem „Sekundärmarkt“ kaufen kann, was den Banken, die zwingend zwischengeschaltet werden müssen, sichere Gewinne garantiert.“ Prof. Dr. Andreas Fisahn war Bevollmächtigter für den Antrag der Bundestagsfraktion „Die Linke“ vor dem Bundesverfassungsgericht. Der ganze Text hier: http://www.nachdenkseiten.de/?p=14430#more-14430
Die EZB als Hintertür zu einem Höllen-Arsenal
Der Verband der Familienunternehmer kommentiert: „Die Gefahr besteht jedoch weiterhin, dass nur 130 Kilometer von Karlsruhe entfernt die Europäische Zentralbank in Frankfurt die Hintertür zu einem Höllenarsenal öffnet, die das Bundesverfassungsgericht verschlossen halten will: unbegrenzte Haftung für unbegrenzte Anleihekäufe und dies alles ohne demokratische Kontrolle. Der Kurs der EZB kommt einer Einladung an die Finanzmärkte gleich, die eigenen Risiken dem deutschen Steuerzahler aufzubürden.“ Der ganze Text hier:
http://www.familienunternehmen.de/likecms.php?site=tpl/site.html&nav=&siteid=31&entryid=196
Die Haftungsbegrenzung ist nur ein leeres Versprechen
Michael Mross im Online-Finanzmagazin MMNews urteilt: „Die Haftungsbegrenzung des ESM wird von Politikern und Medien als Erfolg gefeiert. Doch sie ist nichts anderes als ein leeres Versprechen. Bisher gab es in Sachen Euro kaum ein Gesetz, kaum eine Vereinbarung, welche nicht dreist gebrochen wurde. Insofern ist die Haftungsbegrenzung des ESM nur Theorie. Sobald es brennt, gibt es keine Begrenzung mehr. Wenn’s also ernst wird, ist die Haftungsbegrenzung nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Insofern ist die angebliche Haftungsbegrenzung nur der Türöffner, um an die Ersparnisse der Deutschen heranzukommen.“ Der ganze Text hier: http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/10812-esm-die-haftungsbegrenzungs-luege
Jetzt eine italienisch geprägte Währungsunion
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank äußert: „Wir bekommen eine Haftungsunion, die den Charakter der Währungsunion ändern wird – hin zu einer italienisch geprägten Währungsunion“, sagte Krämer. Diese wird Parallelen aufweisen zum Italien der siebziger und achtziger Jahre, als die italienische Notenbank der Regierung in Rom Anleihen abkaufte und somit per Notenpresse die Staatsverschuldung finanzierte.“
(Quelle: http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/0,2828,855341,00.html)
Voßkuhle schon 2011: Wir steuern auf eine neue Verfassung zu
In der Vorberichterstattung einen Tag vor der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts blendete das ZDF-Heute-Journal einen kurzen Ausschnitt aus einem Gespräch mit Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle vom 26. September des Vorjahres ein, und zwar nach den folgenden Worten aus dem „Off“: „In der hektischen Euro-Rettung stärkt Karlsruhe die Rechte des Deutschen Bundestages zum Ärger der Regierung. Und: Die Richter senden eine Botschaft: Mehr Europa, das hat Grenzen.“ Dem folgt die Einblendung mit Voßkuhle aus dem Jahr 2011. Er sagt: „Dann, wenn die Bundesrepublik als souveräner Staat abgeschafft wird, wenn Sie so wollen, dann müssen wir uns eine neue Verfassung geben. Mit dem Grundgesetz ist das nicht machbar.“ Chefredakteur Peter Frey fragt: „Wie nahe sind wir denn schon an diesem Punkt?“ Voßkuhles Antwort: „Wir steuern auf ihn zu.“ (zu finden hier: http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1729438/ZDF-heute-journal-vom-11-September-2012 – Minute 4,36 bis 4,54)
Voßkuhle: Dann mit einer Volksabstimmung begleitet
Dass Voßkuhle dies schon ein Jahr zuvor gesagt hatte, erfuhr der ZDF-Zuschauer nicht. Ebenso nicht, in welchem Zusammenhang. Beides war hier auch nicht von Bedeutung. Anders dagegen, dass das ZDF einen Satz aus Vosskuhles Äußerung unterschlug, denn nach dem Wort „machbar“ hatte er hinzugefügt: „Und diese Verfassung muss dann eben mit einer Volksabstimmung begleitet werden.“ Darüber, warum dieser Satz herausgeschnitten wurde, mag man rätseln. In der Originalsendung vom 26. September 2011 jedenfalls ist er drin, zu finden hier:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1450540/Was-nun%252C-Herr-Vosskuhle%253F#/beitrag/video/1450540/Was-nun%2C-Herr-Vosskuhle%3F (Minute 15.00 bis 15.21)
„Alles ist möglich, vorausgesetzt, dass es genügend unvernünftig ist“
Die Kläger sind keine Gegner der Europäischen Union, befürworten sie als Staatenbund, bekämpfen aber die krankhafte Entwicklung, die die EU mit ihrer Zentralisierung, Überschuldung, den Vertragsbrüchen, der Banken- und Staatenrettung und mit dem ESM nimmt. Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat einmal, wenn auch wohl zu einem anderen Gegenstand, gesagt: „Wer seinen Hund liebt, der muss nicht auch seine Flöhe lieben.“ Drastisch kann man diese Welt der Politik auch so charakterisieren (Quelle unbekannt): „Wer lange genug im Schweinestall lebt, der findet die Gerüche bekanntlich normal, hat vielleicht sogar Probleme mit der reinen Luft im Freien.“ Und auch die folgenden Zitate passen zum Bestreben der führenden Politiker, den ESM durchzupauken, statt die Krise mit einem Schuldenschnitt zu lösen:
„Wenn meine Kollegen, wenn wir Politiker in der Familie, bei Freunden, so mit der Wahrheit umgehen würden, wie wir in der Politik und in den politischen Aussagen mit der Wahrheit umgehen, dann würden wir aus jeder Familie rausfliegen.“ (Hans-Christian Ströbele, Bündnis’90/DieGrünen, zum Vertrauensverlust der Parteien in der Sendung Sabine Christiansen vom 10. April 2005)
„Der größte natürliche Feind der Politiker ist der Sachverstand.Das gilt parteiübergreifend und wird ergänzt durch Faktenresistenz und Ausblendefähigkeit.“ (Prof.Dr.Friedrich Karl Ewert am 31.Dezember 2010 in einem Brief an Ströbele)
„Alles ist möglich, vorausgesetzt, dass es genügend unvernünftig ist.“ (Niels Bohr, dänischer Physiker, Physiknobelpreisträger)
„Dummheit ist auch eine natürliche Begabung.“ (Wilhelm Busch)
Es ist wohl weitgehend unbemerkz geblieben, daß Voßkuhle sich selbst ad absurdum geführt hat mit dem Titel eines Verfassungsgerichtspräsidenten: im November 2011 sagte er in einem ZDF-Interview auf die Frage, „was wir uns noch zumuten müßten für unser GG in der Euro-Rettung?“ Voßkuhles Antwort: „ein Mehr an Übertragung an die EU gibt das Grundgesetz nicht her, dfür bräuchten wir eine Verfassung!“
Fazit: er ist Präsident des Grundgesetzgerichtes, hat kraft seines Amtes jedem zu widersprechen, der das GG eine „Verfassung“ oder sein Gericht „BGV“ nennt!
Natürlich darf die „weisungsgebundene- und gleich=
geschaltete Journaille aller Art“ dies nicht thematisieren, absolutes Tabu! Ebenso mit dem Spruch „im Namen des Volkes“ als fragwürdig schildern, denn allein schon der Begriff „Volk“ ist nazistischer Sprachgebrauch, der absolut verboten ist, nach Besatzungsrecht vulgo SHAEF-Gesetzgebung darf an den „Ergebnissen der Nürnberger Prozesse“ nicht gerüttelt werden. <<(Die Geschäftsführerin des Vereinigten Wirtschaftsgebietes nach Art. ? GG hält sich eisern daran.)