Widerstand gegen staatliche Überwachung

Das Swift-Abkommen zwischen EU und Amerika

Die Vereinigten Staaten dürfen die Auslandsüberweisungen von EU-Bankkunden weiterhin überwachen. Bisher hat der Hegemon Amerika Kontendaten von EU-Bürgern, bezeichnenderweise, ohne so ein Abkommen kontrolliert, seit Jahren. Aber jetzt ist es ihm mit dem Swift-Abkommen – in begrenzter Form – erlaubt. Am 30. November haben die EU-Innenminister das zwischen EU und Amerika geschlossene Abkommen gebilligt. Die Abkürzung S.W.I.F.T steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications. Diese Gesellschaft mit Sitz in Belgien wickelt die internationalen Transaktionen zwischen den Banken ab, täglich rund 11 Millionen. Ihre Träger sind die Banken selbst, aber auch andere Finanzinstitute.

Möglicherweise auch andere Gründe für das Überwachen

Mit dem Überwachen will man auffällige Geldbewegungen aufspüren, um Terrorismus auch auf diese Weise abzuwehren. Die Finanzquellen terroristischer Gruppen sollen ausgetrocknet, deren Verbindungen aufgedeckt werden. Doch wird sich das bei Terroristen längst herumgesprochen haben. Folglich werden sie auffällige Geldbewegungen vermeiden. Weil dies sicher auch die Vertragspartner USA und EU wissen, stecken möglicherweise (auch) ganz andere Gründe hinter dem Überwachen. Das mögen fiskalische sein. Das mögen Ambitionen sein, in Geldangelegenheiten politischer Gegner herumstöbern zu können. Auch drohe, meinte der deutsche Bundesrat in seiner Entschließung zu dem Vorhaben, „Wirtschafts- und Industriespionage großen Ausmaßes“. Vom Bundesverband der deutsche Industrie vernahm man: „Wir warnen vor der Gefahr, dass Unternehmen ausspioniert werden. Aus dem Zahlungsverkehr von Unternehmen lassen sich Rückschlüsse auf Märkte, Vertragspartner und Geschäftsvolumina ziehen.“

Erhebliche Bedenken im Bundesrat

Die Bedenken im Bundesrat, quer durch die Landesregierungen und ihre Parteien, waren erheblich, darunter verfassungsrechtliche. Zu Recht befürchtet man hier, dass Daten von unbescholtenen Bankkunden verwendet werden, ohne dass diese davon wissen, und ihnen bei Irrtümern Schaden entsteht. In seiner Entschließung hat der Bundesrat der Regierung eine Reihe von Vorgaben gemacht, die er eingehalten wissen wollte: keinen automatischen Datenaustausch ohne konkreten Verdacht, keine Weitergabe der Informationen an Drittländer, Detail-Mitteilungen an amerikanische Fahnder nur über grenzüberschreitende Geldgeschäfte. Dazu kommt das Verlangen nach Löschungsregeln, effektivem Rechtsschutz und Ratifizierungsvorbehalt.

„Keine guter Tag für den Datenschutz“

Wie fragwürdig diese staatliche Überwachung ist, zeigt sich auch an der unterschiedlichen Bewertung innerhalb der Bundesregierung selbst. Das Innenministerium mit Thomas de Maiziere (CDU) an der Spitze sieht in dem Abkommen einen Gewinn an Sicherheit, das Justizministerium mit Sabine Leuthausser-Schnarrenberger (FDP) an der Spitze sieht in dem Abkommen Datenschutzverletzungen und Beschneidungen von Bürgerrechten. Die Entscheidung im EU-Ministerrat sei, sagte die Ministerin, gegen den Widerstand ihres Hauses zustande gekommen. Die Freidemokraten seien mit dem Abkommen unzufrieden. Die Regeln zum Datenschutz müssten bei den jetzt anstehenden Verhandlungen über das endgültige Abkommen verschärft werden. Darauf beharrt auch die CSU, wie der CSU-Landesgruppen-Vorsitzende Hans-Peter Friedrich in Berlin sagte. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kommentierte unumwunden: „Das ist kein guter Tag für den Datenschutz in Europa.“ Er bedauere, dass sich der Ministerrat über die Bedenken des EÚ-Parlaments und der Datenschutzbeauftragten hinweggesetzt habe.

EU-Ministerrat in verdächtiger Eile

Bedenklich stimmt auch der Versuch, mit dem der Ministerrat in verdächtiger Eile die Mitentscheidung des EU-Parlaments vermeiden wollte. Er verabschiedete das Abkommen exakt einen Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags. Einen Tag später, am 1. Dezember, hätte das Parlament an der Entscheidung beteiligt werden müssen. Mit Recht sah sich das Parlament absichtsvoll übergangen. Begründet wurde die Eile mit dem Hinweis auf eine Sicherheitslücke, die angeblich drohte, würde das Abkommen nicht pünktlich zur Inbetriebnahme einer neuen Swift-Rechnerstruktur in Kraft sein. Die Parlamentarier protestierten, und der Ministerrat lenkte schließlich ein. Er verständigte sich darauf, das Abkommen nur vorläufig anzuwenden und auch erst vom 1. Februar kommenden Jahres an. Dann sollen die EU-Parlamentarier über das Abkommen abstimmen und es auch ablehnen können. Nötig also war die behauptete Eile offensichtlich nicht. Auch gilt das Abkommen jetzt nur für neun Monate statt der ursprünglichen zwölf. Innereuropäische Überweisungen werden nicht erfasst, innerdeutsche ohnehin nicht. Datenweitergabe an Drittstaaten ist nicht erlaubt, auch Rasterfahndung nicht.

Bisher steht der Swift-Zentralrechner in den Vereinigten Staaten. Um ihn dem Zugriff amerikanischer Fahnder zu entziehen, verlegt ihn Swift in die Schweiz. von Vertrauen in die amerikanische Regierung zeugt das nicht gerade. Doch liest man auch, Überweisungen zwischen Europa und Amerika werde das amerikanische Finanzministerium weiterhin auf dem Swift-Server in Amerika überwachen.

Deutsche Haltung kabarettreif

Die Bundesregierung hat sich bei der Abstimmung im EU-Ministerrat enthalten. Dabei hatte sie mit ihren Einwänden gegen den ersten Vertragsentwurf einige Einschränkungen durchgesetzt. Doch Datenschutzbedenken hat sie wegen Bundesrat und im Justizministerium immer noch. Hätte sie im Ministerrat gegen das Überwachungsabkommen gestimmt, wäre nichts aus ihm geworden. Das allerdings wollte sie nicht. Nun ist die deutsche Haltung kabarettreif: „Wir können nicht zustimmen, aber wir haben auch nichts dagegen, daß das Abkommen in Kraft tritt,“ erläuterte Innenminister de Maiziere das deutsche Verhalten. Dann hätte die Bundesregierung ebenso gut auch zustimmen können.

Die Gefahr des Missbrauchs

Man liest, die Aufregung über das Abkommen sei übertrieben. Ist sie das wirklich? Ob die Einschränkungen tatsächlich eingehalten werden, mag man glauben oder nicht. Staatenlenker und ihre Handlanger haben schon immer mehr gemacht als sie dürfen. Mit Verschweigen sowie Halb- und Unwahrheiten haben sie die Menschen schon zu oft zum Dulden oder Mitmachen zu bewegen versucht. Gewiss, wer mag schon gegen Anti-Terrorismus-Maßnahmen sein. Aber was kann unter diesem Deckmantel auch anderes geschehen. Denkbar sind immer auch scheinbar abwegige Möglichkeiten. Und was möglich ist, wird zu häufig auch gemacht. Die Gefahr des Missbrauchs ist groß, die Möglichkeit ihn aufzuspüren gering. Und wird er doch aufgespürt, ist er aber geschehen. Wenn man ferner liest, die Entscheider in der EU dürften nicht vergessen, dass der islamistische Terrorismus immer noch eine beträchtliche Gefahr sei, dann ist die Versuchung groß zu fragen, ob nicht von den USA vielleicht die größere Gefahr ausgeht.

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