Grönland kaufen?

Hat Dänemark überhaupt ein Verkaufsrecht? – Dänemarks Verkauf der Jungferninseln als Beispiel – Könnte Grönland sogar eigenständig zu den USA wechseln? –  Wie die USA Dänemark vom Trump-Vorhaben ganz ausschließen könnten – Der Grönland-Erwerb für die USA wohl eine wünschenswerte Ergänzung, aber keine erforderliche – Der USA-Wunsch von 1809, sich auch Kanada einzuverleiben – Der USA-Erwerb Grönlands würde das Verhältnis zu Kanada belasten – Ein  USA-Interesse an Grönland, um dort China oder Russland zu verhindern?

Von Prof. Dr. iur. Menno Aden*)

Der von Donald Trump ins Gespräch gebrachte Kauf von Grönland durch die USA hat drei Aspekte: rechtliche, politisch-strategische, wirtschaftliche.

I. R e c h t l i c h: 2009 wurde Grönland von Dänemark eine weitgehende Autonomie gewährt, die Grönland die Kontrolle über nahezu alle Bereiche außer Verteidigung und Außenpolitik übertrug.

Der Autonomiestatus Grönlands stellt Dänemarks Verkaufsrecht infrage

1. Es ist zu prüfen, ob Dänemark die Insel Grönland verkaufen kann: Bis 2009 übte Dänemark die volle Souveränität über Grönland aus. Bis zu diesem Zeitpunkt ist anzunehmen, dass Dänemark völkerrechtlich befugt war, die Souveränität über diesen Teil seines Staatsgebiets an einen anderen Staat zu übertragen. Der Autonomiestatus Grönlands stellt dieses Recht heute in Frage. Es ist, soweit ich weiß, völkerrechtlich nicht geklärt, ab wann eine schrittweise, immer weitere Befugnisse gewährende Autonomie zur (Teil-)Souveränität führt, die den Rest-Souverän hindert, über ihn zu verfügen. Ein historisches Beispiel könnte das folgende sein: 1801 hat der Kaiser des damals noch existierenden Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Vertrag zu Lunévillle das linke Rheinufer an Frankreich abgetreten. Nach wohl herrschender juristischer Meinung war der Kaiser, obwohl er Oberherr der abgetretenen Gebiete war, zu diesem Akt nicht (mehr) befugt, weil diese Gebiete innerhalb des Reichkörpers teil-souveräne waren.

Ein eigenständiger Wechsel Grönlands zu den USA derzeit nur möglich in Abstimmung mit Dänemark

Allerdings dürfte auch Grönland, trotz seiner weitgehenden Autonomie (noch) nicht befugt sein, sich selbst zu verkaufen beziehungsweise sich einem anderen Staat anzuschließen, solange Dänemark bestimmte völkerrechtlich respektierte Rechte in Bezug auf Grönland hat. Ein Verkauf Grönlands oder ein Wechsel der staatlichen Zugehörigkeit Grönlands wäre daher nur in Abstimmung zwischen Dänemark und Grönland möglich. Die als Kaufpreis in den Raum gestellte Summe von 100 Milliarden wäre daher, sollte es zu einer solchen Transaktion kommen, zwischen Grönland und Dänemark aufzuteilen.

Wie die USA Dänemark vom Trump-Vorhaben ganz ausschließen könnten

2. Selbstbestimmungsrecht der Grönländer: Eine etwas abweichende Würdigung ergibt sich daraus, dass sich die Grönländer auf ihr nach der UN-Charta garantiertes Selbstbestimmungsrecht berufen, die sofortige Ablösung von Dänemark beschließen und sich als souveränen Staat erklären. Dem würde Dänemark vermutlich weder völkerrechtlich entgegentreten können noch es politisch wollen. Das würde allerdings bedeuten, dass Dänemark an einem solchen Geschäft überhaupt nicht mehr beteiligt wäre. Wenn also die USA das Projekt ernsthaft betreiben wollen, wäre es ihnen anzuraten, die rund 60 000 Grönländer damit zu locken, dass jeder von ihnen, vom Kind bis zum Greis mit einer 1.000.000 Dollar zum Millionär gemacht würde (macht etwa 60 Milliarden) und als Gegenleistung lediglich dafür stimmen müsste, dass

  1. Grönland sich zum souveränen Staat erklärt und
  2. zweitens den Antrag stellt, als neuer Bundesstaat den USA beizutreten.

Dänemarks Verkauf der Jungferninseln als Beispiel

Historischer Hinweis (1): Dänemark hat kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges die ihm gehörigen Jungferninseln in der Karibik (heute: Virgin Islands) an die USA verkauft. Dabei besteht der Verdacht, dass dieser Verkauf nicht ganz freiwillig war, sondern im strategischen Interesse der USA ein Druck auf Dänemark ausgeübt wurde gegen – das ist allerdings spekulativ – das Versprechen, bei Ende des Krieges dafür zu sorgen, dass Nord-Schleswig (Apenrade, Hadersleben) an Dänemark fallen soll.

Wenn die USA Grönland haben wollen, werden sie es sich einfach nehmen

Historischer Hinweis (2): Churchill ließ am 10. Mai 1940 das neutrale Island, welches damals in Bezug auf Dänemark einen ähnlichen Autonomiestatus hatte wie heute Grönland besetzen und stationierte dort 25.000 Mann (Unternehmen Ikarus.)  Im Juli 1941 also vor ihrem offiziellen Kriegseintritt gegen Deutschland (und ja nicht gegen Dänemark oder Island) besetzten die USA Island. Die in der gesamten britischen und US-amerikanischen Geschichte festzustellende Großzügigkeit im Umgang mit dem Völkerrecht[1] macht die Diskussion, ob ein Kauf rechtens wäre oder nicht, ganz unnötig. Sie ist völlig praxisfern. Wenn die USA Grönland haben wollen, dann werden sie es sich einfach nehmen, wie die Briten es taten, als sie noch mächtig waren.

Für die USA wohl eine wünschenswerte Ergänzung, aber keine erforderliche

II. S t r a t e g i s c h – P o l i t i s c h: Ein Blick von oben auf die Weltkugel zeigt, dass der Besitz von Grönland zwar eine wünschenswerte Ergänzung der US-Präsenz in der Nordpolarregion wäre. Diese ist aber eigentlich nicht erforderlich. Die USA sind bereits im Besitz von Alaska und verfügen über ihren von ihr fast völlig abhängigen Verbündeten Kanada Zugang zu dessen äußersten Norden, d.h. so nördlich wie die Nordspitze Grönlands. Aus Sicht von Kanada wäre der US-Erwerb von Grönland aber eine weitere Aufweichung seiner im Verhältnis zur USA ohnehin fragilen Souveränität.

Der USA-Wunsch von 1809, sich auch Kanada einzuverleiben

Es ist eben doch wohl etwas mehr als  nur eine flapsige Bemerkung , wenn Trump den kanadischen Ministerpräsidenten als „Gouverneur“ bezeichnet mit der Bemerkung, Kanada solle mit den Vereinigten Staaten fusionieren, dann gäbe es keine Zölle, das Land wäre völlig sicher,  und viele Kanadier würden das  gerne sehen ( FAZ vom 8. Januar 2025, Seite 2). Zu erinnern ist auch daran, dass Th. Jefferson, der dritte US-Präsident, 1809 an Madison schrieb: Wir müssen nur noch den Norden (Kanada) in unsere Konföderation einschließen und hätten dann ein Imperium der Freiheit wie es seit der Erschaffung der Erde noch nie gesehen wurde. Auch hierdurch angeregt erklärten die USA 1812 Großbritannien den Krieg, um Kanada zu erobern (vgl. Aden, Imperium Americanum, Seite 84).

Der USA-Erwerb Grönlands würde das Verhältnis zu Kanada belasten

Kanada hätte mit den USA die lange Landgrenze im Süden, im Nordwesten Alaska und dann im Nordosten US-Grönland. Das würde bedeuten, dass Kanada von drei Seiten von dem großen Nachbarn eingeschlossen wäre und von der vierten Seite vom Nordpolarmeer. Die Beziehungen zwischen Kanada und USA sind durch den Zwang der Umstände zwar grundsätzlich freundlich, aber nicht ganz ohne Spannung. Der Erwerb von Grönland durch die USA müsste daher das Verhältnis zu Kanada nachhaltig negativ beeinflussen.

Ein weiterer Beleg für die rücksichtslose Großmachtpolitik der USA

Das eigensüchtige und hochmütige Vorgehen der USA in Bezug auf weniger mächtige Länder haben die USA bereits heute zu einem der meist gehassten Staaten der Welt gemacht (man sagt es nur nicht offen!). Der Erwerb von Grönland würde als weiterer Beleg für die rücksichtslose Großmachtpolitik der USA gewertet werden. Eine solche Stigmatisierung der USA durch die Weltgemeinschaft wäre auch für ein so großes Land wie die USA schädlich.  Politisch wäre aus US-Sicht auch zu berücksichtigen, dass ein US-Grönland völlig neue Verteidigungsanstrengungen der USA auf dieses große und wenig zugängliche Gebiet von 2 Millionen Quadratkilometern erfordern würde – zu Lande, zur Luft und insbesondere zu Wasser. Die hierfür aufzuwendenden Kosten sind im Augenblick vermutlich gar nicht seriös zu schätzen.

Die Aussicht auf vermutliche Bodenschätze Grönlands

III. W i r t s c h a f t l i c h: Der Besitz von Grönland enthält Optionen auf Bodenschätze von bisher völlig unbekanntem Umfang – von null bis unendlich. Die Erderwärmung, die sich – wie unterstellt sei – in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen wird und weitere Teile von Grönland allmählich eisfrei stellen wird, kann zwar nach und nach wirtschaftlich nutzbare Flächen freilegen. Das wird aber Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte dauern. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist daher der Erwerb von Grönland wohl nicht zu empfehlen. Es wird den USA aber möglich sein, sich durch entsprechenden politischen Druck exklusive Wirtschaftszonen zu sichern.

Ein USA-Interesse an Grönland, um dort China oder Russland zu verhindern?

IV. C h i n a  u n d   R u s s l a n d: Strategische Überlegungen können es vorteilhaft erscheinen lassen, Grönland sozusagen aus dem militär-strategischen Markt zu nehmen, um zu verhindern, das auswärtige Mächte wie China oder Russland sich dort festsetzen. Diese Frage bedürfte einer näheren Betrachtung. Auf den ersten Blick ergibt sich aber folgendes. Von jedem Punkt der Insel Grönland könnten zum Beispiel chinesische Raketen eigentlich nur das menschenleere Nordkanada innerhalb einer so kurzen Vorwarnzeit erreichen, dass es gefährlich wäre. Die industriellen Zentren Kanadas und der USA lägen so weit entfernt, dass mit einer so langen Vorwarnzeit gerechnet werden kann, dass angreifende Raketen vernichtet werden können. Das von dem künftigen Präsidenten Trump genannte strategische Interesse zur Sicherung des Friedens, der Demokratie, Gerechtigkeit und aller weiteren hohen Werte, für welche sich die USA als Bannerträge ausruft, erweist sich daher im Zweifel als leere Rhetorik, um einen in Wahrheit wirtschaftlich motivierten Angriff auf Grönland zu rechtfertigen.

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Die Zwischenüberschriften sind vom Redakteur eingefügt.

*) Prof. Dr. iur. Menno Aden (Jahrgang 1942, Abitur 1962) hat Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn studiert (1963 bis 1967), wurde 1972 in Bonn promoviert, war in den Jahren 1971/72 Senior Research Officer am Institut für Rechtsvergleichung der Universität von Südafrika, war beruflich tätig in der Energie- und Kreditwirtschaft und von 1994 bis 1996  Präsident des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes in Schwerin, dann bis 2007 Professor an der FH für Ökonomie und Management in Essen. Verheiratet, fünf Kinder. Er hat neben seiner Lehrtätigkeit zahlreiche Schriften im Bereich Bank-, Wirtschafts- und internationales Recht verfasst, auch theologische Schriften und Bücher zu anderen Themen. Aus dem „Klappentext“ seines Buches: „Etliche berufliche Einsätze in aller Welt führten ihn immer wieder zu der Frage, wie es den Vereinigen Staaten von Amerika gelingen konnte, über viele Kriege hinweg zur imperialen Macht aufzusteigen, anderen Nationen – wie zum Beispiel Deutschland –  aber den Ruf eines „Störenfrieds der Weltordnung“ anzuhängen.“  Weiteres über Aden siehe hier.  Seine Web-Seite hier: http://www.dresaden.de/index.html.

[1] Vgl. Aden, Menno Imperium Americanum 2016

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