Lesestoff für Bierliebhaber

Ein Grundnahrungsmittel, das man nicht essen, sondern trinken muss – Bierbrauen ist im Prinzip ganz einfach, aber eben darum eine hohe Kunst – Malz ist der „Körper“ des Bieres und Hopfen seine „Seele“ – Wie Brauer ihrem Gebräu Wohlgeschmack bei- und abringen – Alkoholfreies Bier? Nein, das ist wie Urlaub ohne Sonne – Was Wettbewerbsfreiheit auf dem Biermarkt Erstaunliches bewirkt – Anzüglichkeiten und Sticheleien gegen staatliche Anmaßung und Politik – Vermittlung freiheitlichen Geistes im Plaudereiformat contra „Bundesrepublik Infantilistan“ – Freibier ist auch ein Stück Freiheit, für den Spender und den Beglückten – Da, wo sich der Staat zurückzieht, blühen Kreativität und Unternehmertum auf, auch Biervielfalt – Die Wiener Schule des Bierbrauens und der Nationalökonomie – Ein Buchhinweis

Wenn Weihnachten naht, rückt mehr heran. Es ist unvermeidlich die Frage, wem schenke ich was. Vielen fällt das nicht auf Anhieb ein. Dann ist die Neigung groß, die Antwort vor sich herzuschieben. Damit kommt die große Zeit für jene, die den Grüblern auf die Sprünge helfen: die der Ratgeber – seien es solche mit kommerziellen Motiven oder echte, selbstlose Gutmenschen. Einen Geschenkanstoß liefern könnte die nicht ganz unwahrscheinliche folgende Vermutung: Es soll viele Menschen geben, die Bierliebhaber sind – meist wohl männlichen Geschlechts, aber nicht nur. Ihnen könnte ein Buch*) gefallen, das sich mit diesem biederem Getränk befasst, von dem sein Autor zu wissen meint, es sei „das schönste Getränk der Welt“.

Das schönste Getränk der Welt? Bier? Helge Pahl, besagter Autor, sieht das so. Darf der das? Der darf das. Dass der das darf, versteht sich von selbst. Denn er ist Brauer geworden, braut diesen Trank in eigener Brauerei. Gegründet mit Gleichgesinnten hat er sie 2016 im schleswig-holsteinischen 2000-Seelen-Dorf Wacken. Den Namen Wacken hat man doch irgendwie schon mal gehört. Ist das nicht das Dorf mit dem …? Ja, das ist es: das mit dem Open-Air-Festival, das gelegentlich im Schlamm versinkt, wenn es tüchtig geregnet hat, und das trotzdem 85 000 Heavy-Metal-Fans unwiderstehlich anzieht.

Ein Grundnahrungsmittel, das man nicht essen, sondern trinken muss

Ohnehin hat Brauer Pahl mit seiner Wahrnehmung vom „schönsten Getränk“ unglaubliches Glück: Er steht nicht allein; viele, viele erwachsene Zweibeiner sehen es nicht anders. Wohl gilt Irren als menschlich, aber sämtliche Biertrinker dieser großen weiten Welt können sich nicht irren. Bier ist auch weit mehr als bloß ein Getränk. Wohl ist es auch Labsal für Durst, Labsal in Geselligkeit, Labsal für die geplagte oder ungeplagte Seele. Aber dies alles lässt sich auch vom Wein sagen. Bier dagegen bietet zusätzlich etwas ganz Besonderes: Wer es zu sich nimmt, versorgt sich mit einem Grundnahrungsmittel, einem Nahrungsmittel für die Alltäglichkeit. Und das auch noch überaus bequem: Messer, Gabel, Löffel sind für Nahrungsaufnahme entbehrlich. Sein flüssiger Aggregatzustand macht’s möglich.

Bierbrauen ist im Prinzip ganz einfach, aber eben darum eine hohe Kunst

Schon das Wasser als sein Hauptbestandteil ist ein lebenswichtiger Stoff. Ohne Wasser ist alles nichts, kein Leben, einfach nichts. Dann die ihm im Braukessel hinzugefügte gemälzte und geschrotete Gerste – sie liefert, nunmehr als Malz, den wesentlichen Nährstoff: Zucker. Nachdem die Maische von ihren festen Bestandteilen getrennt („geläutert“) ist, folgt die Hopfengabe, die dem Sud, je nach Menge und Hopfenart, die gewünschte edle Bitterkeit und mit späteren Zutaten die Aromen gibt. Zum Schluss, wenn der Sud den Braukessel verlassen hat, bringt Hefe die süßliche Bierwürze im Gärtank auf Trab, nämlich zum Gären, so dass Alkohol und Kohlensäure den erfrischenden Feinschliff geben. Im Prinzip also ziemlich einfach, das Bierbrauen, aber mit den möglichen Variationen bei der Rohstoffauswahl und der Verarbeitungsvielfalt eine hohe Kunst, die Braukunst eben.

Malz ist der „Körper“ des Bieres und Hopfen seine „Seele“

Alle vier Rohstoffe, die durch diese Kunst im Bier zusammengefunden haben, werden von Pahl überaus kundig und lehrreich beschrieben. So erfährt der Leser, Wasser nicht gleich Wasser ist, Malz nicht gleich Malz, Hopfen nicht gleich Hopfen und Hefe nicht gleich Hefe. Alle haben in sich eine Fülle von Besonderheiten, die sich später dem Biergenießer geschmacklich und optisch mitteilen. Malz, so liest er, ist der „Körper“ des Bieres und Hopfen seine „Seele“. Er lernt, wie das Mälzen geschieht, wie Art und Menge des verwendeten Malzes über die Gehaltfülle und Farbe des Bieres bestimmen, warum das Wasser weich sein muss. Er bekommt vermittelt, dass es Bitter- und Aromahopfen gibt, wo Hopfen vor allem angebaut wird, wie die Brauer versuchen, die Aromen des Hopfens beim Kochen der Bierwürze nicht alle entweichen zu lassen, sie die Hopfengaben dem Sud daher erst später hinzufügen oder auch „kalt“ hopfen, um die Aromen dort zu binden, wohin sie gehören: ins Bier. Wissenswert zudem, dass Hopfen antiseptisch wirkt und somit das Bier stabilisieren hilft – in früheren Zeiten eine besonders geschätzte Eigenschaft.

Wie Brauer ihrem Gebräu Wohlgeschmack bei- und abringen

Wie die Brauer Wasser zum schmackhaften, bekömmlichen Gebräu zu veredeln verstehen, ihm den Wohlgeschmack beibringen und abringen, das führt Pahl in diesem Buch mit einer Mannigfaltigkeit des Gerstensaftes vor, von der normale Bierkonsumierer allenfalls ein bisschen Ahnung haben, sich nun aber vom Autor bereichern lassen können. Dieser erklärt ihnen, was Craftbeers wie beispielsweise India Pale Ales (IPA) oder Imperial Russian Stouts sind. Das belgische Fahrbier Pauwel Kwak kommt vor, das Ale, das Porter, das Stout, das Budweiser (das tschechische wie das amerikanische), natürlich dat Kölsch, das Radeberger, das Bockbier, das Oktoberfestbier, das norddeutsche Pils, das rheinländische Alt, das Bier als Heiltrank und anderes mehr.

„Das beste Bier der Welt“

Bereichert wird des Lesers Wissen um die Zubereitung eines Käse-Bier-Fondues, in das man appetitliche Brotstücke tunkt. Und wer „das beste Bier der Welt“ nicht kennen sollte, sich dessen aber nicht zu schämen braucht, erfährt dies im Buch ebenfalls. Doch sei es hier schon mal verraten. Es ist das „Westvleteren 12“. Weiteres darüber müssen Sie sich dann aber durch Lesen selbst erschließen.

Alkoholfreies Bier? Nein, das ist wie Urlaub ohne Sonne

Auch über alkoholfreies Bier, die „Spaßbremse“, findet sich etwas. Pahl zitiert dazu den Kabarettisten Volker Pispers: Was erwarten Sie denn noch? Ein Volk, das sich alkoholfreies Bier aufschwatzen lässt, das greift auch zu einer kompetenzfreien Regierung.“ Für Pahl ist alkoholfreies „entseelter Gerstensaft“, der jeden ehrbaren Brauer und viele „ehrliche“ Biertrinker erschaudern lasse. Man könne die Unfertigkeit, die Inkompetenz dieser „Biere“ förmlich riechen. Ja, Bier ohne Alkohol ist wie Urlaub ohne Sonne.

Was Wettbewerbsfreiheit auf dem Biermarkt Erstaunliches bewirkt

Das Buch durchstreift auch Bierlandschaften, die deutsche natürlich, die amerikanische, die britische, die belgische. Die großen und daher trägen, schwerfälligen Bierkonzerne haben durch zahlreiche Neugründungen vorwiegend kleinerer Braustätten erfrischende Konkurrenz bekommen. Biervielfalt und Sorten haben sich durch viel Innovation und Kreativität gewaltig ausgeweitet. Im Craftbeer-Boom sieht Pahl dafür ein Paradebeispiel. Freiheit zu und durch Wettbewerb bewirkt Erstaunliches immer wieder, und die Menschen profitieren davon.

Anzüglichkeiten und Sticheleien gegen staatliche Anmaßung und Politik

Das Buch durchzieht der Geist erzliberaler, freiheitlicher Gesinnung. Daher ist es auch kein Wunder, wenn sich Pahl immer wieder zu kleinen Abschweifungen mit Anzüglichkeiten gegen inkompetente staatliche Anmaßungen und zu politischen Sticheleien herausgefordert sieht. So zum Beispiel, wenn er über die angstberuhigende und schlaffördernde Wirkung des Hopfens als Heilpflanze eine Erklärung dafür findet, warum der bierselige deutsche Michel lammfromm die schleichenden Enteignungen durch seine politischen Akteure hinnimmt und deutlich niedrigere Altersrenten als beispielsweise Franzosen und Italiener erduldet, weil die mehr dem Wein als dem Bier zusprechen. Angenommen, der kausale Zusammenhang zwischen Bier und Schläfrig-Machen bestünde wirklich: So unrealistisch es zwar wäre, darob dem Michel das einschläfernde Bier entziehen zu wollen (und zu können), so gewiss dürfte aber – falls es doch gelänge – des Michels revolutionäre Auflehnung wohl leider ausbleiben. Mit Bierentzug also wäre den beklagenswerten deutschen Zuständen folglich nicht beizukommen.

Vermittlung freiheitlichen Geistes im Plaudereiformat contra „Bundesrepublik Infantilistan“

Wo politische Machtbesessenheit, totalitäre Machtausübung und Unfähigkeit der Politikergarde zum Vorschein kommen, versteht es Pahl, unter seine Bierbegeisterung die notwendige Kritik einzustreuen, sei es kühl, ironisch oder süffisant. Ein Beispiel dafür sind die Corona-Maßnahmen oder seine Anmerkungen über die Transformation Deutschlands in die „Bundesrepublik Infantilistan“. Diesen freiheitlichen Geist vermittelt Pahl bei den Plaudereien und beim Kenntnisverbreiten über Bier gleichsam nebenbei.

Freibier ist auch ein Stück Freiheit – für den Spender und den Beglückten

Pahl gehört nämlich zu jener Kategorie Mensch, die sich zu den „eigentümlich Freien“ zählt, wenn sie verbandelt ist mit dem liberal-libertären Monatsmagazin eigentümlich frei. Dort ist in vielen kundigen Bier-Kolumnen entstanden, was hier jetzt als Buch vorliegt. Dabei bricht Pahl für die Freiheit immer wieder Lanzen. Wie um das zu unterstreichen, steht über den Kolumnen wiederkehrend nicht nur „Bier“, sondern „Freibier“, denn spendiertes Bier mundet dem mit ihm Beglückten nun einmal besonders gut und darf als Aufforderung verstanden werden, die Freiheit des Spendierens häufig genug auch auszuleben und zu genießen.

Da, wo sich der Staat zurückzieht, blühen Kreativität und Unternehmertum auf, auch Biervielfalt

Die Freiheit ist für Pahl, verbunden mit dem Bier, sozusagen Programm. In seiner Auftakt-Kolumne heißt es denn auch: „An dieser Stelle möchte ich zukünftig etwas Licht auf das schönste Getränk der Welt im Zusammenspiel mit Freiheit und Unfreiheit werfen. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Staatsmacht wie das Reinheitsgebot, die Prohibition und Besteuerung des Produkts Bier werden dabei zum Beispiel Themenfelder sein. Natürlich gilt es auch, anzuschauen, inwieweit da, wo sich der Staat zurückzieht, Biervielfalt, Kreativität und Unternehmertum aufblühen.“ Zuweilen teilt sich Pahls Drang, die Segnungen der Freiheit hervorzukehren, nur in ein, zwei Sätzen mit, zum Beispiel so: „Millionen von Heimbrauer und tausende Brauereien auf der ganzen Welt produzieren eine unglaubliche Vielfalt. Auch hier gilt: Wo die Märkte weitestgehend frei sind, steigen das Angebot und die Qualität. Subkutan also teilt sich dem Leser mit: Freier Wettbewerb macht’s.

Die Wiener Schule des Bierbrauens und der Nationalökonomie

Pahl ist ein Schwarmgeist. Dass er für Bier schwärmt, versteht sich. Mit Bier ist er – so die Überschrift im Fragebogen am Ende des Buches „beschwingt begeisterungsfähig“. Er schwärmt aber vor allem für Freiheit und setzt, wie er im Fragebogen bekennt, auf „die grenzenlose Schaffenskraft des Menschen in freien Gesellschaften mit freien Märkten“. Und wie nebenbei bekommt er es hin, in seinen Aufklärungen über Bier ökonomische Erkenntnisse liberaler Ökonomen in Kurzform zu vermitteln, die eine und andere Lehrweisheit unterzubringen, darunter beispielsweise die Theorie von den komparativen Kosten des britischen Ökonomen David Ricardo oder die Wiener Schule des Bierbrauens (das Wiener Lagerbier) mit der Wiener Schule der Nationalökonomie, den „Austrians“, zu verbinden.

Erstaunlich, was man aus vier schlichten Rohstoffen alles machen kann

Beim Lesen drängt sich als Eindruck von der Person des Autors zusätzlich ein „eigentümlich bierselig“ auf. Denn das Schwelgen über Bier und in Bier, also Bierseligkeit, durchströmt das ganze Buch. Und es kann durchaus sein, dass sich der Leser willig mitdurchströmen und mitziehen lässt und dabei erkennt: Es ist schon erstaunlich, was man aus Wasser alles machen kann. Und aus Gerste natürlich. Und Hopfen. Und Hefe. Und wie es geschieht. Und wo. Dies alles, verpackt in einfallsreiche, heitere Plaudereiern und amüsante Formulierungen, machen das Buch zur informativen und zugleich unterhaltsamen Lektüre. Appetit bekommen?

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*) Helge Pahl: Freibier – 41 libertäre Hymnen an das schönste Getränk der Welt.  Taschenbuch. 228 Seiten. 19,90 Euro. Lichtschlag Medien und Werbung (Hrsg.), Oktober 2023. ISBN-10: ‎3948971196 und ISBN-13: ‎978-3948971199.

Dieser Text ist dem Buch als Geleitwort unter der Überschrift „Eigentümlich bierselig“ vorangestellt und wird hier von mir als Buchhinweis verwendet. Ich selbst als Buchhinweisgeber, durch Rezension gleichsam als literarischer Whistleblower,  verdiene an dem Hinweis natürlich nichts. Aber dem Autor wünsche ich das. Von ihm aber für mein Geleitwort bekommen habe ich etwas. Was wohl? Na, klar, ein Paket mit – Freibier.

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