Das dicke Ende der deutschen PKW-Maut

Außer Spesen nichts gewesen – Für Deutschland eine „gerechte Strafe“ – Ein Desaster von 500 Millionen Euro, das die Politiker wieder einmal dem Steuerzahler aufbürden, selbst aber davonkommen – Wie der Österreicher Andreas Unterberger die deutsche Prozessniederlage vor dem EuGH sieht – Eine Maut als zusätzliche Wegekostenabgabe ist falsch und Murks

Die unselige Geschichte einer PKW-Maut in Deutschland ist noch nicht zuende. Wohl hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Maut-Pläne erst einmal beendet und entschieden, dass sie gegen EU-Recht verstoßen. Die FAZ1) nannte es „das Ende eine Schnapsidee“ und kommentierte: „Nicht je­der be­kommt das Ur­teil, das er ver­dient. Aber man kann die Ent­schei­dung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs zur Maut als ei­ne ge­rech­te Stra­fe für Deutsch­land be­trach­ten.“ Nun kommt als dickes Ende heraus, dass die Maut-Politiker – die CSU und Seehofer allen voran – mit ihrem Vorhaben eine finanzielle Belastung ausgelöst haben, die auf rund 500 Millionen Euro veranschlagt ist. Der Bund muss nämlich die Verträge zum Erheben und Kontrollieren der Maut mit den vorgesehenen Mautbetreibern rückabwickeln.

Es handelt sich dabei um deren bis­he­ri­ge Auf­wen­dun­gen (für 300 Mit­ar­bei­ter und Sach­mit­tel) so­wie um den ihnen ent­gan­ge­nen Ge­winn.  Schon der Streit über die LKW-Maut, weil sie 2005 ver­spä­te­t gestartet war, hat Bund und Un­ter­neh­men für An­wäl­te, Gut­ach­ter und Schieds­rich­ter ei­nen ho­hen drei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag gekostet. Ferner müssen das Bundesfinanz- und Bundesverkehrsministerium einige hundert Maut-Planstellen wieder streichen und das Personal auf den schon besetzten Stellen woanders unterbringen.2) Schon jetzt hat die Maut dem Bund bis zum EuGH-Urteil über 50 Millionen Euro gekostet.3) Kurzum,  außer Spesen nichts gewesen  – ein Desaster, das die Politiker wieder einmal dem Steuerzahler aufbürden, selbst aber davonkommen. Dass sie bei der PKW-Maut ziemlich dämlich vorgegangen sind, wird ihnen aus Österreich bescheinigt, das diese deutsche Maut vor den EuGH gebracht und dort gewonnen hat.

Der für den EuGH springende Punkt

Es ist der österreichische Journalist Andreas Unterberger4), , der sich in seinem Kommentar zum EuGH-Urteil wohltuend von anderen Kommentatoren beider Länder abhebt. Was für den EuGH der springende Punkt war und ist, beschreibt Unterberger so: „Der Gerichtshof hat nämlich zwei rechtlich voneinander völlig unabhängige deutsche Gesetzesmaterien als Einheit gesehen, woraus er eine zu verbietende Ausländerdiskriminierung ableitet. Dabei ist völlig unbestritten, dass bei beiden Materien an sich jedem EU-Land die Regelung völlig freisteht: nämlich einerseits bei der Autobahnmaut (das ist in Österreich die inzwischen teilweise elektronisch gewordene Vignette) und andererseits bei der Kfz-Steuer. Beide Rechtsbereiche werden in jedem EU-Land ganz unterschiedlich gehandhabt. Nur der EuGH sieht plötzlich in Hinblick auf Deutschland eine Einheit zwischen den beiden Bereichen.“

Die sehr fundamentalistische Sichtweise des EuGH nur für Deutschland

Der EuGH, so Unterberger weiter, argumentiere so: „Die Zusatzbelastung der Autofahrer (der deutschen wie der ausländischen) durch die Autobahnmaut entspricht sehr genau dem, was sich – nur – die deutschen Autofahrer durch die Senkung der Steuer ersparen. Diese Entsprechung und die Gleichzeitigkeit beider Neuregelungen sind nun vom EuGH als eine mittelbare Diskriminierung der Autofahrer aus anderen EU-Ländern interpretiert geworden. Weshalb er die Neuregelungen – die ihn getrennt eigentlich nichts angegangen wären – zu verbieten beschlossen hat. Durch diese sehr EU-fundamentalistische Sichtweise des EuGHs ist nun Deutschland plötzlich nicht mehr frei, Maut und Steuer selbst zu regeln. Wie es alle anderen Länder sind.“

Die Gleichzeitigkeit der deutschen Neuregelung einst Folge von Populismus

Unterberger nennt die EuGH-Begründung „unbestreitbar eine sehr kühne juristische Argumentation“ und fährt fort: „Diese Gleichzeitigkeit der deutschen Neuregelung war einst Folge des Populismus der deutschen Regierungsparteien: Einerseits wollte man – vor allem die Bayern in Hinblick auf Österreich – es nicht mehr hinnehmen, dass man als Deutscher im Ausland überall Maut zahlen muss; die Ausländer in Deutschland hingegen nicht. Zumindest die Österreicher haben auch über die deutschen Zapfsäulen praktisch nichts zur Renovierung der in die Jahre gekommenen deutschen Autobahnen bezahlt – haben sie doch in Österreich stets billiger getankt. Andererseits wollte die Koalitionsregierung in Berlin keinesfalls die eigenen Bürger zusätzlich durch die Kfz-Steuer belasten. Deshalb hat man die komplizierte Konstruktion zweier paralleler Gesetze gewählt: Dadurch ist gleichzeitig die Kfz-Steuer für deutsche Autobesitzer im gleichen Ausmaß reduziert worden, wie die Zusatzbelastung durch die Maut ausmacht. So konnte sich kein deutscher Autofahrer aufregen.“

Nun müsste Deutschland Maut- und Kfz-Steuer-Gesetz zeitlich entzerren

Unterbergers Fazit: „Nun wird Deutschland halt mit hoher Wahrscheinlichkeit – zumindest falls die marode Koalition noch arbeitsfähig ist – die beiden Gesetze entzerren, um dem EuGH zu entsprechen. Diese werden halt nicht mehr gleichzeitig in Kraft treten. Und die Plus- und Minus-Auswirkungen werden einander halt auch nicht genau entsprechen.“ Was er für besonders absurd hält, drückt er in einem Postscriptum so aus: „Die EU verbietet zwar jetzt plötzlich in einem Land die dort beschlossene Autobahnmaut. Aber nirgendwo wird jenes Ziel verfolgt, das wirklich im Interesse der Europäer wäre: nämlich eine einheitliche Mautregelung, damit man nicht bei Überqueren jeder Staatsgrenze sofort komplett andere Vorschriften hätte. Auch die Verkehrsregeln haben sich in den einzelnen Ländern auseinanderentwickelt, statt einheitlicher und verständlicher zu werden.“

Mautstellen für Autos sind die Wegezoll-Burgen von einst

Mautstellen für Autos sind die Wegezoll-Burgen von einst, Politiker die Raubritter und Ausbeuter von heute. Aber der Vergleich hinkt. Denn Straßen zu bauen und zu unterhalten, kostet Geld. Also müssen jene diese Kosten tragen, die für ihre Autos gute und sichere Straßen erwarten. Entrichtet allerdings wird eine Maut längst: mit der Steuer auf Kraftstoff. Aber die Einnahmen aus dieser Steuer gehen über diese Kosten weit hinaus und werden seit langem zweckentfremdet. Die Maut wäre also eine Zusatzabgabe, die aus finanziellen Gründen für den eigentlichen Zweck nicht nötig, also überflüssig und falsch ist. Daher ist eine Maut als zusätzliche Wegekostenabgabe Murks. Wenn durchreisende Autofahrer aus benachbarten EU-Mitgliedstaaten zuhause billiger das Auto volltanken und in Deutschland nicht nachtanken (sich also an den Wegekosten nicht beteiligen) müssen, sollten wir ihnen das aus nachbarschaftlicher Solidarität gönnen.

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1)  FAZ vom 19. Juni 2019, Seite 1.

2)  FAZ vom 26. Juni 2019, Seite 15

3) Lübecker Nachrichten vom 26. Juni 2019, Seite 7. Der genaue Betrag im fünfseitigen Bericht des Bundesverkehrsministeriums: 53 601 435 Euro

4) Andreas Unterberger, Jahrgang 1949, war Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse und der Wiener Zeitung. Heute betreibt er den in Österreich meistgelesenen politischen Blog  www.andreas-unterberger.at  Unterberger ist Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und des Clubs unabhängiger Liberaler. Näheres über ihn hier und hier.

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2 Kommentare zu „Das dicke Ende der deutschen PKW-Maut“

  1. Klar, die Deutschen haben sich blöde angestellt.Allerdings wurde jetzt mal wieder gegen Deutschland entschieden. Aber das kennen wir ja von der Rechtsprechung zur Politik der EZB.
    Interessant ist, dass Deutschland allüberall der große Profiteur der EU ist, während alle anderen – von den Deutschen ausgebeutet ! – unter der EU leiden.

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