Kindergeld ist kein Almosen

Das Institut für Demographie, Gemeinwohl und Familie (iDAF) sieht darin eine Rückerstattung zu viel gezahlter Steuern und einen verfassungsrechtlich gebotenen Familien-Lastenausgleich

Die Familie als Bollwerk gegen politische Einflussnahme ist politisch unerwünscht. Das Institut für Demographie, Gemeinwohl und Familie (iDAF)* schreibt: „Die große Koalition, sonst großzügig im Geldausgeben, knausert bei den Familien: Nur vier (2015) bzw. sechs Euro mehr (2016) soll es pro Monat und Kind geben. Die Bundesregierung selbst gibt zu, dass sie damit nicht mehr als das verfassungsrechtliche ‚Gebotene’ tut. Die Rechtslage ist klar: Der Staat darf das Existenzminimum von Kindern nicht besteuern. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinen „Familienurteilen“ klargestellt. Deshalb gibt es Kinderfreibeträge. Von denen haben viele Eltern aber nichts, weil ihr Einkommen zu gering ist. Deshalb gibt es Kindergeld, das kein Almosen für Eltern ist, sondern eine Rückerstattung zu viel gezahlter Steuern (1).“

Das erste Kindergeld in Deutschland 1935

Kindergeld zahlen viele Länder (hier). Deutschland begann damit für „arische“ Familien im September 1935 und nannte es Kinderbeihilfe. Aus der zunächst nur einmaligen Zahlung ist dann schon im April 1936 eine monatliche geworden. Das Geld erhielten Arbeiter und Angestellte erst vom fünften Kind an. 1938 genügten drei Kinder, um das Geld zu bekommen. Es waren monatlich 10 Reichsmark. Die Beihilfe war begrenzt auf Familien, die über ein Monatseinkommen von 185 Mark nicht hinauskamen. Nach dem Krieg, nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland, setzten die Zahlungen von Kindergeld 1954 ein. Für das dritte und jede weitere Kind gab es monatlich 25 DM, gezahlt von den Familienausgleichskassen, später von der Bundesanstalt für Arbeit. 1961 erhielten die Familien das Geld auch schon vom zweiten Kind an (Quelle hier).

Der eigentliche Sinn des Kindergeldes wird verkannt

Was solchermaßen begann, hat in den weiteren Jahrzehnten viele Änderungen erfahren und ist komplizierter geworden. Politische Vorstellungen, die sich gegen die traditionellen Familien richten, sind in jüngeren Jahren hinzugekommen. Familien wurden zum Opfer politisch-wirtschaftlichen Kalküls und politischer Willkür. Es ist das Streben nach staatlicher „Hoheit über die Kinderbetten“. Derzeit geht es darum, das Kindergeld zu erhöhen. Das genannte Institut befasst sich mit dem eigentlichen Sinn des Kindergeldes und mit der Frage, warum dieser verkannt wird. Ich gebe den Text im Wortlaut wieder. Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt.

Politisch gewollt: Mütter sollen vollerwerbstätig sein

In der Tat ist das Kindergeld alles andere als nur ein Almosen. Das Institut kritisiert: „Politiker haben damit ein Problem, denn sie wollen die Steuergelder behalten, um die Gesellschaft nach ihrem Willen ‚gestalten’ zu können. Ein dominantes Ziel maßgeblicher Sozialingenieure in der Politik ist der Wandel zu einer ‚Institutionenkindheit’, in der Kinder von klein auf in ‚öffentlicher Verantwortung’ aufwachsen. Es waren besonders die Familienministerinnen Renate Schmidt (SPD, 2002-2005) und Ursula von der Leyen (CDU, 2005-2009), die diesen Wandel vorantrieben. Der Ausbau der ‚U3-Kinderbetreuung’ war dabei nur ein – wenn auch wesentlicher – Baustein eines ‚Mainstreamings’ hin zum Leitbild der vollerwerbstätigen Mutter (2)“

Der ökonomische Zynismus der Wirtschaft

„Dem Gesellschaftsumbau sekundierte die Wirtschaft, die junge Eltern als Arbeitskräftereserve begehrt. Aus dieser Sicht der Arbeitsmarktmobilisierung sind Steuerfreibeträge und das Kindergeld ‚Fehlanreize’, weil sie den Druck zur Erwerbstätigkeit beider Eltern verringern (3). So betrachtet können Sozialleistungen eigentlich nicht niedrig genug sein, am besten gäbe es sie gar nicht. Dieser ökonomische Zynismus wird noch übertroffen von Politikern, die behaupten, dass Eltern Geldleistungen doch nur für Alkohol, Zigaretten oder ‚Flachbildschirme’ verschwenden würden.“

Das Kindergeld durch jahrelange Agitation in Verruf gebracht

„Über Jahre wurde so gegen das Betreuungsgeld, aber auch gegen höheres Kindergeld agitiert. Dass auf diese Weise Ressentiments gegen sozial schwächere Familien geschürt wurden, hat auch Sozialdemokraten nicht gestört, die jetzt die Kindergelderhöhung als zu gering kritisieren. Die jahrelange Agitation brachte das Kindergeld politisch-medial in Verruf (4). Dabei ist die Leistung ‚im Volk’ sehr beliebt, weil sie die Einkommenslage von Arbeitnehmern mit Kindern verbessert und, anders als Sachleistungen (Stichwort: Gutscheine), mehr Freiheit beim notwendigen Konsum einräumt. Vor allem Eltern mit zwei, drei und mehr Kindern in der Mittelschicht profitieren vom Kindergeld, das für sie ein relevanter Einkommensbestandteil ist. Viele Eltern mit niedrigem Einkommen schützt das Kindergeld sogar vor sozialem Abstieg: So würden ohne das Kindergeld mehr als 1,2 Millionen Familien in „Hartz-IV“ abrutschen, wie eine regierungsoffizielle ‚Gesamtevaluation’ der Familienleistungen ergeben hat (5).“

Kindergeld ist verfassungsrechtlich gebotener Familien-Lastenausgleich

„Solche Befunde widerlegen das gängige Klischee, demzufolge Geldleistungen eine ‚ineffektive’ Form der Familienförderung seien. Der Irrtum liegt darin, dass der Zweck der Leistungen nicht verstanden wird. Dieser Zweck ist primär der verfassungsrechtlich gebotene Familienlastenausgleich. Eltern haben durch die Kindererziehung Lasten zu tragen, die kinderlose Bürger eben nicht haben. Denn Kinder kosten auch viel Geld: Schon im Jahr 2008 betrugen die Konsumausgaben in Paarhaushalten für ein Einzelkind im Durchschnitt 580 € und für zweite und dritte Kinder etwa 510 €. Natürlich unterscheiden sich die Ausgaben nach der Finanzkraft der Familien: Haushalte des obersten Dezils gaben durchschnittlich 900 € für ihr (Einzel)Kind aus, einkommensschwache Haushalte des unteren Dezils nur ca. 330 € (6).“

Die Verzichtleistung der Eltern wenigstens teilweise kompensieren

Mit dem Kindergeld verdient also kein Bürger und kein Elternteil Geld – selbst in den einkommensschwachen Haushalten deckt es nur einen Teil der durch Kinder entstehenden Ausgaben ab. Weit über die Hälfte dieser Ausgaben entfällt auf den Grundbedarf an Ernährung, Kleidung sowie Wohnen und Energie. Kinder brauchen aber mehr, nicht zuletzt für Spiel, Unterhaltung und Bildung. Um den Bedürfnissen ihrer Kinder gerecht zu werden, nehmen Mütter und Väter Wohlstandsverluste und Abstriche an ihrer eigenen Lebenshaltung hin (7). Diese Verzichtsleistung anzuerkennen und wenigstens teilweise zu kompensieren, ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Um die sollte es in der Familienpolitik gehen, nicht um die Konditionierung von Eltern auf ein bestimmtes Lebensmodell hin.“

Was das Institut allerdings nicht thematisiert, ist die Tatsache, dass das Kindergeld auch zu Fehlanreizen führt. Zu ihnen gehört wohl vor allem seine Anziehungskraft auf kinderreiche arme Einwandererfamilien vor allem aus islamischen Ländern.
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*) Das Institut für Demographie, Gemeinwohl und Familie e.V. (idaf) ist ein eingetragener Verein. Es ist, wie es zu seinem Vereinszweck schreibt, partei- und konfessionsübergreifend. Es verfolge bei seiner Arbeit vorzugsweise einen interdisziplinären Ansatz und verbreite Ergebnisse interdisziplinärer Forschung durch Teilnahme an Symposien, Kolloquien und an der publizistischen Debatte. Auf diese Weise will es die Handelnden in Politik, Wirtschaft und Bildungswesen stärken sowie die Unentschlossenen und Nicht-Wissenden informieren. Das Institut verstehe sich als eine Ideenfabrik, als Impulsgeber. Seine Mitglieder seien ehrenamtlich tätig. Das Institut finanziere sich ausschließlich durch Spenden. Weiteres zum Vereinszweck hier. Die Web-Seite des Instituts hier. Kontoverbindung für Spenden: Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG – Bonn-Beuel BLZ 380 700 24 – Kto.Nr. 0949 495 – IBAN: DE 68380 700 24 009494 9500 BIC: DEUTDEDB 380

(1) Eingehender hierzu: Jürgen Borchert: Kindergeld – Kein Geschenk, sondern Rückgabe von Diebesgut. iDAF-Aufsatz des Monats, 2015 / 3, 10.03.2015, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2015/03/10/artikel/kindergeld-kein-geschenk-sondern-rueckgabe-von-diebesgut.html

(2) Ausführlich hierzu: Stefan Fuchs: Gesellschaft ohne Kinder. Woran die neue Familienpolitik scheitert, Wiesbaden 2014, S. 52 ff.

(3) Eingehender zu dieser Argumentation: Das Kindergeld stabilisiert die Mittelschicht: Was Forscher und Medien bei der „Gesamtevaluation der familienpolitischen Leistungen“ verschweigen, iDAF-Nachricht der Woche, 2013 / 41-42, 15.10.2013, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2013/10/15/artikel/das-kindergeld-stabilisiert-die-mittelschicht-was-forscher-und-medien-bei-der-gesamtevaluation.html

(4) Eingehend zu diesen Diskussionen: Stefan Fuchs: Der politische Kampf gegen die traditionelle Familie und die Erziehungsverantwortung der Eltern; Staatliches Kindergeld, von den Eltern „versoffen“? http://www.erziehungstrends.net/Kompetenzzentrum/Familienleistungen; http://www.erziehungstrends.net/node/603

(5) Holger Bonin et. al.: Lehren für die Familienpolitik – Zentrale Resultate der Gesamtevaluation familienpolitischer Leistungen, Berlin/Mannheim 2013, S. 9. Eingehender hierzu: Das Kindergeld stabilisiert die Mittelschicht: Was Forscher und Medien bei der „Gesamtevaluation der familienpolitischen Leistungen“ verschweigen, iDAF-Nachricht der Woche, 2013 / 41-42, 15.10.2013.

(6) Statistisches Bundesamt: Konsumausgaben von Familien für Kinder. Berechnungen auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, Wiesbaden 2014, S. 40.

(7) Eingehender hierzu: Stefan Fuchs: Staatliches Kindergeld, von den Eltern „versoffen“?

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