Immer wieder Draghi

Er will die Inflationsrate erhöhen, nicht niedrighalten – Die drohenden EZB-Käufe von Staatsanleihen

Die Europäische Zentralbank will frisches Geld in die Märkte pumpen. EZB-Präsident Mario Draghi ließ wissen, es gehe darum, das Mandat der Zentralbank zu erfüllen und die Inflation wieder auf knapp 2 Prozent zu heben.*) Wie bitte? Die Inflation heben? Ist die EZB nicht darauf verpflichtet, die Inflation zu bekämpfen und für Preisstabilität zu sorgen? Sie ist es, und das Preisniveau ist stabil, die Inflationsrate liegt unter 1 Prozent, fast bei Null. Das also will Draghi nicht, denn er malt ein Gespenst an die Wand, als müsse man sich ganz schrecklich davor fürchten. Es heißt Deflation.

Nicht Deflation haben die Bürger zu fürchten, sondern Inflation

Schon im Mai hatte Draghi angekündigt, eine dauerhaft niedrige Inflation in Europa zu bekämpfen, und gesagt: „Wir werden uns nicht damit abfinden, wenn die Inflation zu lange zu niedrig bleibt.“ Das war in Sintra (Portugal) gewesen. Ich nenne eine solche „Stabilitätspolitik“ pervers. Näheres dazu siehe hier. Ohnehin gilt: Nicht Deflation haben die Bürger zu fürchten, sondern Inflation (siehe hier). Zu verdanken haben wir diese Perversion dem Euro, der durch ihn ausgelösten Schuldenkrise in den vor allem südlichen Euro-Ländern und dem krampfhaften Bemühen der politischen Führung, das drohende Auseinanderbrechen der Euro-Währungsunion zu verhindern.

Anleihen für rund 1 Billion Euro will die EZB kaufen

Allenthalben liest man, die Europäische Zentralbank plane massive Käufe von Staatsanleihen. Die FAZ berichtete, Draghi habe in deutlichen Worten mitgeteilt, dass die Zentralbank bereit sei, einen Massenkauf von Anleihen zu starten, der Staatsanleihen beinhalten könne. Mitarbeiter der Zentralbank bereiteten schon jetzt konkret neue Maßnahmen vor. Anleihen für rund 1 Billion (= 1000 Milliarden) Euro will die EZB im neuen Jahr kaufen, überwiegend Staatsanleihen.**) Der Kolumnist (und Gründer der inzwischen eingestellten Financial Time Deutschland) Wolfgang Münchau schrieb dazu in Spiegel Online:

… solange, bis die Inflationsrate wieder bei 2 Prozent liegt

„Langfristig siegt wirtschaftliche Logik immer über juristische Kleinkariertheit. Langfristig ist es egal, wie viele unsinnige Klauseln sie in einen europäischen Vertrag hineinschreiben. Langfristig ist es auch egal, ob die Gemeinschaft deutscher Verfassungsrechtler und Kommentatoren hyperventiliert. Krisen schaffen ökonomische Fakten. Nicht Verfassungsrichter. Kurzfristig ist es allerdings genau umgekehrt. Die Juristen und Ordnungspolitiker haben zwar nicht die Kraft, irgendein ökonomisches Problem zu lösen. Aber sie haben genug Kraft, um die Lösung des Problems zu verhindern. Für den Euroraum ist das Ergebnis dieser Konstellation katastrophal.“ Die geplanten Käufe von Staatsanleihen würde eine größere Tragweite haben als alles, was seit Anfang der Eurokrise beschlossen worden sei. Wenn sie damit erst einmal anfange, dann werde es lange dauern, bis sie aufhöre. „So lange, bis die Inflation wieder bei zwei Prozent lieg.“ Münchaus ganzer Text hier.

Der Euro dereinst „eine Art Denkmal kollektiver Dummheit“

Einer meiner Freunde macht dazu diese Anmerkung: „Herr Münchau hätte natürlich alles besser gewusst und gemacht (wie immer). Vielleicht hätte man die Sache mit der Währungsunion aber auch gleich von Anfang an besser gelassen. Jetzt wird die Sache für den Bürger sehr teuer. Und die Herren Kohl und Waigel, die das alles verursacht haben, genießen derweil ihre üppigen Staatspensionen. Was lernen wir daraus? Nur die persönliche Haftung für Politiker bei ihren Entscheidungen schützt die Bürger vor Größenwahn und Dummheit. Dummheit? So urteilte zumindest der damalige britische Außenminister: ‚Es war Wahnwitz, dieses System zu schaffen. Jahrhundertelang wird man darüber als eine Art Denkmal kollektiver Dummheit schreiben.‘ (William Hague, britischer Außenminister, über den Euro im Magazin The Spectator vom 28. September 2011 (zitiert im Spiegel 42/2011 auf S. 94).“

„Fiskalische Rettungspolitik unter dem Deckmantel der Geldpolitik“

Namhafte Ökonomen lassen kein gutes Haar an den geplanten massenhaften Anleihekäufen durch die EZB, darunter, wie die FAZ berichtet, Clemens Fuest.***) Dieser kritisierte: „Staatsanleihekäufe der EZB in Höhe von 1000 Milliarden Euro würden wirken wie die Einführung von Eurobonds in gleicher Höhe, für die die Eurostaaten gemeinsam haften.“ Eventuelle Verluste durch Ausfälle würden nach dem Kapitalschlüssel der EZB unter den Euromitgliedstaaten aufgeteilt. „Das ist ohne Zustimmung der Parlamente nicht akzeptabel.“ Fuest ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Auch Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts, warf der EZB vor, sie überschreite ihr Mandat. „Was die EZB vorhat, ist eine fiskalische Rettungspolitik unter dem Deckmantel der Geldpolitik, beschlossen von einem Gremium, dem es dafür an demokratischer Legitimation fehlt.“

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*) FAZ vom 5. Dezember 2014, Seite 15.

**) FAZ vom 10. Dezember 2014, Seite 15.

***)  FAZ vom 9. Dezember, Seite 17

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