Europas Blindheit gegenüber Russland

Kerstin Holm in der FAZ: Vor der Höhle des russischen Bären ist ein Sicherheitsabstand einzuhalten, sonst greift er an.

Die sogenannten Qualitätsmedien – durchweg als Zeitungen gemeint – sind in Deutschland nahezu alle auch jene, die im Hauptstrom der schrecklichen political correctnessmitschwimmen. Es schmerzt mich, dass zu ihnen auch die FAZ gehört, zum Beispiel in Sachen Ukraine, Russland, Putin-Bashing, Flug MH17, Sanktionen … Gegenstimmen immerhin lässt sie in einigen Leserbriefen zu Wort kommen oder in den Rubriken „Fremde Feder“ und „Standpunkt“. Nun aber hat erstmals ein redaktioneller Eigenbeitrag eine Gegenposition bezogen und für Russlands Lage um Verständnis geworben – nicht im politischen Teil der Zeitung, nicht im wirtschaftlichen, sondern im Feuilleton, als Aufmacher auf Seite 1 in der Ausgabe vom 12. September. Die FAZ-Redakteurin ist ersichtlich die erste, die Putin mit Verständnis und Verstand beispringt.


Das ureigene Interesse Russlands: Ruhe in seinem Vorgarten

Geschrieben hat den Beitrag Kerstin Holm, die seit 1991 FAZ-Kulturkorrespondentin in Moskau gewesen ist, inzwischen aber wieder in der  Zentralredaktion der FAZ in Frankfurt arbeitet. Über Russland hat sie viel Kritisches geschrieben (Näheres zu Kerstin Holm und ihre jüngsten FAZ-Beiträge hier), nun aber auch dies: Es spreche für Europas Blindheit, dass es nicht im ureigenen Interesse Ruhe im östlichen Vorgarten anstrebe. Vor der Höhle des russischen Bären sei ein Sicherheitsabstand einzuhalten, sonst greife er an. Dennoch brauche Europa Russland, und die Ukraine brauche eine Finnlandisierung. Im Folgenden einige Auszüge aus ihrem Artikel. Die Zwischenüberschriften sind von mir.

Wer Putin verstehen will …

„Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat jüngst gesagt, Russland sei für Europa kein strategischer Partner mehr. Wollte man das ernst nehmen, wäre das für den Kontinent katastrophal. … Wer Putin verstehen will, der sollte daher nicht Psychologie studieren, sondern die Stellenbeschreibung des russischen Präsidenten. Ein überdehntes, untervölkertes, rauhes Land zusammenhalten, das an ungemütliche Nachbarn wie China und die islamische Welt grenzt, steht da geschrieben. Der Weltmarkt hungert nach russischen Rohstoffen, das fördert die Korruption, Spitzenkader und ökonomische Eliten emigrieren. Und im entwickelteren Westen, wo Gorbatschow durch den Abzug der sowjetischen Truppen Freundschaft stiften wollte, hat die Nato das gesamte, ebenfalls von Gorbatschow freigegebene Glacis besetzt, ihr Militär rückt immer dichter an die Landesgrenzen. Wie sollte da ein russisches Staatsoberhaupt den Gorbatschow-Jelzin-Kurs nicht bitter bereuen und deshalb versuchen, den unfreundlich immer weiter vorrückenden „Wald von Birnam“ endlich zu stoppen?“

Wenn man dem russischen Bären auf den Pelz rückt …

„Es spricht für Europas Blindheit, dass es nicht im ureigenen Interesse Ruhe im östlichen Vorgarten anstrebt. Dass der Bär, nicht von ungefähr Russlands Symboltier, … ein gefährliches Raubtier ist, weiß man nicht erst seit gestern. Und dass Raubtiere wie auch Staaten aggressiv werden, wenn man ihnen auf den Pelz rückt, ist ebenfalls bekannt. Dass sie überdies, wenn man keinen Sicherheitsabstand wahrt, angreifen, kann man aus Tierfilmen lernen. Doch mit dem Flirt, den Nato und EU mit der Ukraine begannen, signalisierte der Westen, dass er seinen Fuß letztlich auch in die Bärenhöhle setzen könnte.“

Für Russland Alarmstufe Rot

„Russland ist kein Rechtsstaat nach europäischem Muster. Aber selbst für Europa gilt, dass erst physisch ein Territorium gesichert sein muss, beispielsweise durch Bestätigung und Anerkennung der Grenzen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gezogen wurden, bevor man dort einer Rechtsordnung zur Gültigkeit verhelfen kann. Im Falle Russlands, für das der Flottenhafen auf der Krim eine tragende Säule des Staatsgebäudes ist, bedeutet schon die Möglichkeit einer ukrainischen Nato-Partnerschaft physische Bedrohung, also Alarmstufe Rot. Der Westen, der mit dem Gedanken einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine spielte und jetzt die Illegalität der russischen Krim-Annexion verdammt, verhält sich wie jemand, der einem ungehobelten Nachbarn erst ein Bein stellt, sich dann über seine ruppige Gegenwehr wundert und ihm danach Strafpredigten hält.“

Die derzeit verfahrene Lage

„Der Ukraine möchte man alles Glück und Gelingen wünschen. Doch ihre politische Führung hat noch die allerersten Hausaufgaben zu erledigen, nämlich die tiefgespaltene Nation zu versöhnen, beispielsweise durch einen Bundesstaat, sowie mit dem östlichen Nachbarn, der zugleich ein naher Verwandter und Hauptwirtschaftspartner ist, ein Auskommen zu finden. Bisher haben sich weder die Regierenden, die den internen Konflikt zur Kraftprobe zwischen den Bevölkerungsgruppen eskalieren ließen, noch ihre westlichen Berater, die sie davon nicht abbringen konnten oder wollten, ein Reifezeugnis ausgestellt. Denn die Rebellen in der Ostukraine werden zwar von Russland mit Militärtechnik und Personal unterstützt. Aber sie pauschal als „Separatisten“ darzustellen, wie es Kiew und die westlichen Medien tun, ist falsch, wenngleich heute viele Ostukrainer nicht mehr dem Staat angehören wollen, der ihre Häuser bombardieren ließ. …. Die derzeit verfahrene Lage steht im traurigen Kontrast zu der politischen Weisheit, die einst Finnland im Umgang mit dem gefährlichen Nachbarland walten ließ.“

Alle haben viel verloren, nur die USA nicht

„In diesem Konflikt haben alle viel verloren, vor allem die Ukraine, ohnehin ein ökonomisches Katastrophengebiet, aber auch Russland und Europa. Nur der transatlantische Verbündete nicht, das oberste Nervenzentrum in seiner geostrategisch exzeptionell begünstigten Lage. Präsident Obama hat treffend bemerkt, sein russischer Kollege Putin sei aus Schwäche aggressiv, nicht aus Stärke. Schade nur, dass der Spieltrieb der Amerikaner so viel Spaß daran findet, diese Schwäche auszunutzen und Russland zu reizen und zu destabilisieren.“

Der ganze Holm-Beitrag hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ukraine-krise-lesen-sie-putins-stellenbeschreibung-13148481.html oder als Hyperlink hier.

Ergänzend hierzu empfehle ich diesen DWN-Beitrag vom 12. September zu lesen, der überschrieben ist mit „Handels-Krieg gegen Russland: Der große Verrat von Angela Merkel an ihrem Volk“ (hier). Er bietet eine gute Zusammenfassung des Kesseltreibens gegen Russland und der Hintergründe.

Ebenso diesen Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/julian-k/warum-tut-der-westen-was-er-tut

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3 Kommentare zu „Europas Blindheit gegenüber Russland“

  1. Konfrontation gegen Russland.
    Man kann ja muss die kritischen Kommentare zum Thema nur unterstützen.
    Insbesondere der Westen übersieht die ganz grosse Gefahr. Die braut sich kaum erkannt im Islamischen Raum zusammen. Dort sind Probleme aufgelaufen die sind faktisch kaum zumindest mittel und längerfristig kaum noch lösbar.
    Diese Gefahren bedrohen Russland und insbesondere Europa gleichermassen.
    Trotz aller Unterschiede und Sichtweisen Russland war immer eine weitestgehend verlässliche Karte.
    Der Westen scheint wird langsam Irre.
    Ein Grosskonflikt USA-EU gegen Russland und den agressieven Islamischen Raum, die USA auch noch gegen China.
    Die Konfrontation gegen Russland ist eine beispiellose Dummheit.
    Da wird eine grosse Chance sinnlos verbraten.
    Ein sachliches Verhältnis mit Russland in Vorm einer lockeren strategischen Partnerschaft.
    Absehbar insbesondere dem europäischen Raum droht ein grauenhaftes Desaster.
    Freundliche Grüsse

  2. Nun, Herr Krause, Ihr tapferes Florett für Frau Holm in Ehren- aber seit Ihrer Zeit hat die FAZ einen beispiellosen Niedergang hingelegt, hinab zu den ganz traurigen Postillen einer Journaille, für die ein Scholl- Latour nur noch Verachtung übrig hatte. Ein stinkender, politisch korrekter Einheitsbrei, der einen würgen macht. Die Edelfeder- Kapaune sind beliebig austauschbar geworden: Aust zur Welt, Blöd- Blome zur Speichelin, der dpa- Goebbels Büchner dito und- das schlägt dem Faß den Boden aus- der rote Chefpropagandist des ehemaligen Nachrichtenmagazins, Julius Streicher- Müller von Blumencron ist jetzt Indoktrinator bei der FAZ. Die grandiose Meinungsvielfalt von Politkommissaren springt einen da an.
    Der dreiste Umgang dieser Blättchen mit ihren Lesern dürfte inzwischen bekannt sein:
    „Der Stil der Diskussion lässt Respekt und Höflichkeit vermissen. Eine sachliche Auseinandersetzung zum Thema scheint nicht mehr möglich zu sein. Daher beenden wir die Diskussion an diesem Punkt.“ Von FAZ bis Prantl- Prawda zu lesen. Am indiskutabelsten: Die CIA- Postille ‚Zeit‘. Herausgeber: Helmut Schmidt.
    Da wäre es doch praktischer, gleich nur eine Zeitung aufzulegen: „Neues Deutschland“.

    Es nützt auch nichts mehr, wenn sich Frau Holm jetzt etwas nachdenklicher gebärden darf- daß der Hochverrat deutscher Politiker teuer bezahlt werden wird, ist selbst dem blödesten Bildzeitungsproleten inzwischen klar. Arme Frau Holm!

    Leseempfehlung: http://www.kopp-verlag.de/Gekaufte-Journalisten.htm?websale8=kopp-verlag&pi=939100&ci=000408

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