Ein gar seltenes Ereignis: Schwarze Zahl im Staatshaushalt / Aber sie hat Schwindsucht
Schlechte Botschaften bekommen wir täglich genug geliefert. Da bricht dann fast schon Dankbarkeit aus, wenn uns auch einmal eine gute Nachricht ereilt, eine wie jüngst diese: „Deutschland schreibt schwarze Zahlen“. Mit dieser Schlagzeile jedenfalls hatte eine Regionalzeitung ihre Leser beglückt. Na, endlich, ist man sogleich versucht, sich zu freuen, denn immerhin geht es um den deutschen Staatshaushalt – den von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen. Der deutsche Staat also hat doch tatsächlich – erstmals wieder seit langem – einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielt. Das ist wirklich gewöhnungsbedürftig, denn einen Haushaltsüberschuss hat es seit 1960 (!) nur fünfmal (!) gegeben. Mithin hat Deutschland 47 Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt und die 47 Haushaltslücken mit Schulden über Schulden gefüllt.
Aber noch ist das Jahr nicht herum
Schon also möchte man goldene Zeiten anbrechen sehen. Aber ach, der Überschuss bezieht sich erst nur auf die erste Jahreshälfte. Was also die zweite Hälfte und damit das Gesamtjahr 2012 bringt, steht noch aus, noch ist Jahr nicht herum. Doch zeichnet sich ab, dass dieses zweite Halbjahr den Überschuss des ersten wieder zum Verschwinden bringen wird, denn das Konjunkturbarometer beginnt nun auch für das verwöhnte Deutschland zu fallen. Dem Überschuss ist Schwindsucht immanent. Außerdem: Was wird 2013 sein? Und 2014?
Die Konjunktur ist besser als die Politik
Und nochmals ach: Der Überschuss ist kein Verdienst der deutschen Politiker, sondern eine Folge gestiegener Staatseinnahmen (Steuern und Sozialabgaben) allein wegen der erstaunlich guten Wirtschaftskonjunktur, angefeuert auch durch die zügellose und folgenschwere Niedrigzinspolitik von amerikanischer Notenbank Fed und EZB zugunsten ihrer hochverschuldeten Staaten. Die Konjunktur ist besser als die Politik.
Bund und Länder stecken weiter im Defizit
Und ein drittes Mal ach: Bund und Länder stecken mit ihren Etats weiter im Defizit (zusammen 7,7 Milliarden Euro), der gesamtstaatliche Halbjahresüberschuss (8,3 Milliarden) resultiert überwiegend aus den Sozialabgaben (11,6 Milliarden) und zusätzlich aus einem Gesamtüberschuss der Gemeinden (4,4 Milliarden). Verprassen, also Begehrlichkeiten nachgeben und schon jetzt Wahlgeschenke vorbereiten (wie: Praxisgebühr abschaffen, neue Ausgaben vorsehen), verbietet sich daher von selbst. Höhere Steuern oder neue Abgaben sind erst recht fehl am Platz; der deutsche Staat leidet nicht an Geldmangel, sondern an Ausgabenexzessen seiner Politiker sämtlicher Couleur. Dazu gehören in der Überschuldungs- und Eurokrise auch die verantwortungslosen Zahlungen für die „Euro-Rettungsschirme“ EFSF und ESM zugunsten ausbeuterischer Banken und Staaten.
Der Schuldenberg ist nach wie vor zu hoch
Vor allem der Bund gibt immer noch mehr Geld aus, als er einnimmt. Folglich muss er die Ausgaben einschränken, nicht ausweiten. Auch sollte er sich schon jetzt darauf einstellen, dass er von 2016 an die im Grundgesetz verankerte Defizitbeschränkung zu beachten hat. Sein Schuldenberg ist nach wie vor hoch und viel zu hoch, auch ohne die drohenden Euro-Rettungszahlungen. Hübsch ist, was der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes vorschlägt: Immer dann, wenn die Abgeordneten in Bundes- oder Landtag ein Gesetz beschließen, das eine höhere Verschuldung zur Folge hat, sollten ihre Diäten um denselben Prozentsatz gekürzt werden (FAS vom 26. August 2012). Schön wär’s, dumm nur, dass sie über eine solche Regelung selbst beschließen müssten. Wetten, dass sie diesen Schuss ins eigene Knie bestimmt nicht abfeuern?
Wohin mit dem Überschuss der gesetzlichen Sozialversicherung?
Aber was ist mit den Überschuss-Milliarden aus den Sozialabgaben? Wem gehören die? Den Zwangsversicherten oder den gesetzlichen Renten- und Krankenkassen? Da es sich um ein Umlage- und nicht um ein Kapitaldeckungssystem handelt, bestreiten die Kassen die Ausgaben nur aus den laufenden Einnahmen, und die Einnahmen sollen – bis auf eine Schwankungsreserve – nicht höher sein als die Ausgaben. Das also spricht dafür, den Zwangsversicherten zurückzugeben, was ihnen zuviel abgenötigt wurde. Das kann über eine Beitragssenkung geschehen. In der gesetzlichen Alterssicherung ist das auch vorgesehen: Wenn die Rücklagen die Schwankungsreserve (= das 1,5-fache einer Monatsausgabe) überschreiten, ist eine solche Senkung fällig. Einen entsprechenden Beschluss hat die Bundesregierung gerade gefasst. In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es eine solche Vorgabe nicht.
Wo das Geld der Bürger besser aufgehoben ist
Gegen eine Rückgabe spricht, dass Renten- und Krankenkassen künftig mit höheren Belastungen zu rechnen haben – vor allem wegen der demographischen Entwicklung (relativ mehr Rentner, Alte und Kranke) und steigender Kosten gegen Krankheiten. Daher wäre es nicht abwegig, hierfür Rücklagen parat zu haben, um Beitragserhöhungen zumindest hinausschieben oder abfedern zu können. Allerdings ist Rücklagenbildung über die Schwankungsreserve hinaus im Umlagesystem ein Fremdkörper, der dort nicht hingehört. Ohnehin ist das Geld der Bürger in deren eigenen Händen besser aufgehoben als in einer zentralen Hand, die politisch motivierten Versuchungen ausgesetzt ist. Der Staat mit seinen Institutionen muss knapp gehalten werden.
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