Korruption hat etwas Bestechendes

Sie ist Missbrauch anvertrauter Macht / Aber wer sie aufdeckt, lebt gefährlich

Bestechen oder sich bestechen lassen, nennt man gemeinhin Korruption. Bestechendes hat sie geradezu an sich. Es gibt sie in der Politik, in der Verwaltung, im Justizwesen, in der privaten Wirtschaft, auf dem ganzen Globus. Mal ist sie mehr, mal weniger geächtet. Mal mehr, mal weniger üblich. Mal mehr, mal weniger schwer. Mal mehr, mal weniger schädlich. Aber stets ist sie gegenwärtig – sei es als schon bestehende Realität oder nur als noch nicht ergriffene Möglichkeit. Und nicht immer findet sie im Verborgenen statt, sondern im öffentlichen Raum vor aller Augen. Dann heißt sie nicht Korruption, sondern Subvention. Dann ist sie sogar legal, wenn auch in der Regel nicht legitim.

Ein von Deutschland noch immer nicht ratifiziertes UN-Abkommen

Gerade haben 35 Vorstandsvorsitzende deutscher Großunternehmen alle Bundestagsfraktionen aufgefordert, Deutschland möge jetzt endlich das UN-Abkommen gegen Korruption unterzeichnen. Es stammt aus dem Jahr 2003. Ratifiziert haben das Abkommen bisher 160 Staaten. Deutschland hat es zwar damals (unter rot-grüner Bundesregierung unterzeichnet, sich zum Ratifizieren, also durch Gesetz und Beschluss des Bundestages, noch immer nicht bequemt. Dies schade dem Ansehen der deutschen Unternehmen im Ausland, schreiben die Unternehmensführer. Die Unternehmen seien sehr bemüht, der Korruption in ihrem Auslandsgeschäft vorzubeugen und dort für korruptionsfreien Wettbewerb zu sorgen. Die deutsche Ratifizierung des UN-Abkommens würde ihnen das Bemühen erleichtern. Näheres dazu war in der FAZ vom 9. August zu lesen.

Korruption findet sich überall

Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer. Anvertraute Macht äußert sich darin, dass jemand ein öffentliches Amt, eine Position in der Privatwirtschaft oder ein politisches Mandat wahrnimmt. Missbrauch solcher Macht findet sich überall. Ausdruck von Korruption sind Bestechung und Bestechlichkeit, sind Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes ist in Deutschland der Hauptzielbereich der Korruption die öffentliche Verwaltung. Hier kommt die Korruption häufig bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vor, besonders bei Bauvorhaben und Beschaffungen, aber auch bei behördlichen Genehmigungen und sonstigem Verwaltungshandeln. Doch muss das nicht unbedingt bedeuten, dass in der privaten Wirtschaft weit weniger Korruption vorkommt als bei der Öffentlichen Hand, dass diese also gleichsam zwangsläufig besonders korruptionsanfällig ist. Die Privatwirtschaft regelt nämlich ihre Korruptionsfälle gerne intern, ohne die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten und die Fälle öffentlich zu machen.

Je näher dem Äquator, umso mehr Korruption?

Eine häufige Form der Korruption ist das Zahlen von Schmiergeld. Aber Geldzahlungen sind nur die eine Spielart, andere wie unverhältnismäßige Gefälligkeiten, Protektionen, Absprachen bei Ausschreibungen, teure Einladungen kommen hinzu. Wie sie erfassen, wie ihrer Herr werden? Es heißt, mit zunehmender Nähe zum Äquator gehe es immer korrupter zu, und dieses Phänomen sei sogar innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union zu beobachten. Demnach gäbe es in Süddeutschland mehr Korruption als in Norddeutschland und in den nördlichen EU-Ländern mehr als in den südlichen. Doch mag dem sein, wie es will, exakt belegen lassen wird es sich nicht. Immerhin ein hübscher Einfall, wenn auch vielleicht ein ungerechter.

Die wirkliche Korruption

Korruption war auch einmal (2007) Thema auf der 10. Demokratietagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Dort erfuhren die Teilnehmer auch, dass „die wirkliche Korruption“ ganz anders aussieht. Sie erfuhren es von Albrecht Müller, ehemals Redenschreiber für Karl Schiller, Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt bei Willy Brandt und Helmut Schmidt, von 1987 bis 1994 SPD-Bundestagsabgeordneter, heute Politikberater und Autor. Das Korruptionsproblem, sagte er, sei in der Politik viel größer als das in der Wirtschaft. Aber über politische Korruption werde kaum berichtet, über wirtschaftliche dagegen in aller Breite.

Die politische Korruption wird sogar beklatscht

Wenn zum Beispiel Siemens, sagte Müller damals, für den Verkauf eines Kraftwerks einen arabischen Prinzen besteche, dann regten sich hierzulande Politik und Medien groß auf. Wenn aber Versicherungswirtschaft und übrige Finanzbranche zusammen mit Wissenschaftlern, Medien und Politikern die gesetzliche Altersrente ruinierten, wenn deren großen Interessen die Bundesregierung sogar dazu brächten, mit Milliarden Steuergeldern privatwirtschaftliche Produkte wie die Riester-Rente und Rürup-Rente zu subventionieren, dann werde diese politische Korruption als besonders erfolgreich sogar beklatscht. Müller trug für solche „wirkliche Korruption“ viele andere Beispiele vor, darunter die Verschleuderung der einstigen DDR-Banken Banken an die westdeutschen Banken und die Aufteilung der Bundesbahn in fünf Aktiengesellschaften. Vor allem das Beratungswesen entpuppt sich für Müller „immer mehr als Einfallstor für die Durchsetzung privater Interessen in der Politik und damit auch für die politische Korruption“.

Whistleblower – das wache Gewissen einer Gesellschaft

Wie gefährlich es für jemanden ist, einen Korruptionsfall aufzudecken und dies öffentlich zu machen, genannt Whistleblowing, führte eindruckvoll die Wissenschaftsjournalistin Antje Bultmann anhand zahlreicher Beispiele vor. Doch decken Whistleblower nicht nur Korruption auf, sondern auch Verschwendung in Verwaltung und Wirtschaft, Verstöße gegen internationale Abkommen, Missstände aller Art. Sie warnen vor einer Gefahr, verraten eine Wahrheit, schlagen Alarm. Aber solche Menschen leben gefährlich. Sie legen sich an mit Behörden, skrupellosen Unternehmen, Institutionen, Staaten. Sie werden ausgegrenzt, mundtot gemacht, verlieren leicht ihren Arbeitsplatz, werden angeklagt, gekidnappt, eingesperrt, kommen zu Tode, spielen mit ihrem Leben. Sie gelten als Verräter, Nestbeschmutzer, Staatsfeinde. In Wirklichkeit sind sie, so Frau Bultmann, geistige Dissidenten, mutige Menschen mit selbstlosen Motiven, haben Zivilcourage, sind das wache Gewissen einer Gesellschaft, sind heimliche Helden. Mit zehn Regeln könnten sie wirkungsvoller Alarm schlagen und sich besser schützen. Hilfe finden sie im inzwischen bestehenden Verein „Whistleblower-Netzwerk“.

Um das UN-Abkommen gegen Korruption zu ratifizieren, hatte die rot-grüne Bundesregierung einen Gesetzentwurf schon vorgelegt. Aber unter der nachfolgenden großen Koalition (CDU/CSU und SPD) scheiterte er am Widerstand der Unionsparteien. Der besteht offenbar noch immer.

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