Mit unternehmerischer Unruhe

Was aus einem Volks- und Hauptschullehrer sonst noch werden kann – Die bunte Lebensgeschichte des Hoteliers Rolf Lohbeck

Wer klein beginnt, kann groß werden. Ein wahrlich bewegtes Unternehmerleben hat Rolf Lohbeck in seiner Autobiographie zu bieten. Masseur hat er gelernt, Lehrer ist er geworden, selbständiger Unternehmer zu sein, war ihm beschieden. Lohbeck wurde über das Kaufen, Vermieten und Verkaufen von Häusern zum Bauleiter und Immobilienunternehmer, baute, betrieb und verpachtete Altenpflegeheime, stieg auf zum Hotellier mit neun exquisiten Häusern in exquisiter Lage, wurde nebenbei Zeitungsverleger und Brauereibesitzer, schrieb vier Bücher, schaffte die Promotion, als er schon 56 war, machte große Reisen, hat zwei außerdeutsche Wohnsitze in Andalusien und Florida. Nur das Angebot in jungen Jahren, Zuhälter zu werden, hat er abgelehnt. Zudem brachte er es mit seiner Frau Heidrun („die Liebe meines Lebens“) zu vier wohlgeratenen Kindern. Allen Fünfen hat er sein Buch auch gewidmet.

Offen, ehrlich und schnörkellos

Das Buch ist gut zu lesen, zeichnet offen und ehrlich das Erlebte auf (einschließlich erster erotischer Erlebnisse), macht, wenn auch zurückhaltend geäußert, aus der Freude des Autors und aus seinem Stolz über das Erreichte keinen Hehl, schont dabei auch nicht die eigene Eitelkeit, macht den Autor sympathisch, zieht mit seinem schnörkellosen Schreibstil den Leser leicht von Seite zu Seite.

Zwei Lernerlebnisse zu Recht und Gerechtigkeit

Wer weiß schon, was später aus einem wird, wenn man geboren ist, wenn man heranwächst, wenn man zur Schule geht, auch die Eltern Rolf Lohbecks nicht, auch er selbst nicht. Gerne wäre er zur Zeit der mittleren Reife Fliegeroffizier und Pilot bei der Luftwaffe der Bundeswehr geworden. Aber die Mutter verweigerte entschieden ihre Zustimmung; die Kriegserlebnisse wirkten heftig bei ihr nach, einen Soldaten als Sohn wollte sie nicht, ein Universitätsstudium nach dem Abitur war ihr unverrückbares Ziel für ihn. Doch plötzlich in der Unterprima wird er – unter dem (unzutreffenden) Vorwand eines Verhältnisses mit einer Mitschülerin – zum Verlassen der Schule gezwungen: als Bauernopfer für seinen Mathematiklehrer, der sich in diese Schülerin verliebt hatte. So einem Schulverweis war er schon einen Monat vor der Versetzung in die Unterprima zum Opfer gefallen; er hatte sich gegenüber dem Lehrer wegen der Ungerechtigkeit einer Kollektivbestrafung beschwert, die Folge eines Mitschülerstreichs gewesen war. Er lernte, wie er schreibt, ein zweites Mal, dass das Ordnungsprinzip stärker ist als Recht und Gerechtigkeit.

Erst Medizinischer Bademeister, dann Lehrer

Abitur und Studium also ade, eine andere Berufsausbildung musste her. Er ließ sich ausbilden zum Masseur – wohl, weil seine Mutter als Masseuse und Medizinische Bademeisterin im Städtischen Krankenhaus beschäftigt war. Und so begann Rolf Lohbeck 1961 seine Berufszeit mit dem Staatsexamen als Masseur und Medizinischer Bademeister in Bochum. Noch im gleichen Jahr allerdings sattelte um auf den Lehrerberuf, absolvierte nach bestandener Begabtensonderprüfung das pädagogische Staatsexamen und war sechs Jahre lang bis Ende 1971 Volks- und Hauptschullehrer im westfälischen Schwelm, dann in Volmarstein, Oberwinter und Wuppertal. Nun begann seine Zeit als selbständiger Unternehmer.

Glück im Unglück

Von sich aus freilich hatte er den Schuldienst nicht quittiert, sondern war (als Folge einer späten Rache und von Neid) unter einem hergesuchten Vorwand hinterhältig aus ihm herausgedrängt worden. Erst später merkte er, wer ihn hatte vernichten wollen. Seinen Gegnern kam entgegen, dass ihn jemand anonym angezeigt hatte, weil er Schulkinder verprügelt habe. Wohl wurde er im späteren Gerichtsprozess wegen erwiesener Unschuld freigesprochen, aber zuvor hatte er seine Schullaufbahn wegen dieser Vorwürfe schon beenden müssen. Niedergedrückt hat ihn das nicht, im Gegenteil, es wurde für ihn zum Glück im Unglück: Mit Jahresbeginn 1972 fühlte er sich „endlich frei“ für seine wirkliche Berufung, und man liest: „Die hindernden Fesseln der Abhängigkeit hatte ich für immer abgestreift.“ Der endgültige Abschied vom Lehrerdasein sei ihm leichtgefallen, jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen.

„Zerbrechen haben sie mich nicht können“

In der Tat, in ein finanzielles Nichts fielen er und seine Familie mit dem erzwungenen Ende dieses Berufes nicht. Er hatte mit seinem Buch „Selbstvernichtung durch Zivilisation“ Zustimmung und Erfolg gefunden, verfügte über eine Wohnung im Haus seiner Schwiegereltern, hatte schon ein eigenes Haus in Bad Bodendorf (Ahrtal) gekauft, war bereits während seiner Lehrerzeit zum Bauherrn in eigener Regie geworden und hatte auf seinem Grundstück noch ein Haus mit vier Wohnungen errichtet, das bis Ende 1968 bezugsfertig geworden war und Mieteinkünfte abwarf. Der Zufall bescherte ihm in dieser Zeit auch noch ein drittes Haus. Darin sah er „alles in allem eine „solide Lebensbasis“, und selbstbewusst schreibt er: „Zerbrechen haben sie mich nicht können, da ich in Kindheit und Jugend immer Kämpfe bestehen musste, manchmal ums Überleben.“

Eine bunte Lebensgeschichte

So fing alles an in den ersten sechs Jahren von Lohbecks beruflichem Leben. Das Bauen, das Erwerben und Wiederveräußern von Gebäuden, sei es für sich selbst, sei es für andere, ist Teil seines Lebens geworden. Zu erzählen hat er viel. Auch die Bombennacht von 1943 in Bochum, wo er 1940 geboren wurde, gehört dazu, die Evakuierung der Familie ins Sudetenland, die Flucht zurück, das Aufwachsen in Schwelm, die turbulente Schulzeit, die Hilfsarbeiter-Jobs, die Ausbildungszeit, das Überwinden von Rückschlägen, auch unternehmerischen Misserfolg wie im Fall der Schwelmer Brauerei. Das Buch schildert die bunte Lebensgeschichte eines tüchtigen Mannes mit einer tüchtigen Familie. Und eine ungebrochene Unternehmungslust.

Rolf Lohbeck: Sterne fliegen höher. Chronik eines ungewöhnlichen Unternehmerlebens. Karin Fischer Verlag, GmbH, Aachen 2012 (ISBN 978-3-8422-3997-5). 454 Seiten 24,80 Euro.

Print

Schreibe einen Kommentar