Wollt ihr die totale Sicherheit?

Das starke Bedürfnis der Deutschen nach ihr wird geschürt und bedient

Würden die Deutschen gefragt „Wollt ihr die totale Sicherheit“, wäre die Antwort ziemlich sicher ein Ja. Dummerweise gibt’s die natürlich nicht. Das wissen auch die Deutschen. Aber immer noch ein bisschen sicherer hätten sie es durchaus sehr gern. Wenn schon nicht total, dann doch wenigstens halb total. Oder drei Viertel total. Sicher ist sicher. Der Sicherheitsreflex als Ausfluss der „German Angst“ funktioniert in Deutschland so gut wie der Neidreflex. Dieses so starke Bedürfnis nach Sicherheit in allen Lebenslagen lässt sich daher auch missbrauchen – von Lobbyisten aus wirtschaftlichen Interessen, von Politkern zum Wählerfang und vorgeblichen Beweis ihrer Unentbehrlichkeit für alle Lebenslagen, von Ämtern und Behörden aus Neigung zur Beschäftigungsausweitung zwecks Arbeitsplatzsicherung und von allen zusammen für die Selbstbestätigung und den eigenen Machterhalt.

Fukushima das Vehikel, der schnellere „Atomausstieg“ das Ergebnis

Von ihnen allen wird der Hang so vieler Deutschen nach totaler Sicherheit daher noch zusätzlich geschürt und die geschürte Angst dann prompt auch bedient. Der Tsunami, die Riesen-Seebeben-Welle von Fukushima, die dort das Kernkraftwerk zerstört hat, war dafür das willkommene Vehikel und das folgenreiche und Strompreis verdoppelnde Ergebnis der noch schnellere Ausstieg Deutschlands aus der Stromversorgung mit Kernkraft, ein Ergebnis, das noch reparabel wäre und hoffentlich nicht dauerhaft ist.

Keine Angst vorm Fliegen? Ja – aber sie wird überwunden

Warum steigen auch die Deutschen in Flugzeuge, obwohl sie wissen, dass diese gelegentlich herunterfallen? Haben sie davor keine Angst? Doch, haben sie. Aber sie überwinden sie, weil sie wissen, dass dies sehr selten vorkommt, und hoffen, dass ein solches Unglück jedenfalls nicht sie trifft. Sie wissen auch, dass der Flugverkehr sehr sicher ist und verlassen sich darauf. Sehr viel unsicherer dagegen ist der Straßenverkehr mit jährlich vielen Toten und Verletzten. Aber die Deutschen sind daran gewöhnt, sie nehmen es in Kauf. Und jeder glaubt sich einigermaßen sicher, wenn er selbst nur genügend achtgibt.

Unheimliches muss vertraut genug sein

Vor allem aber: Wenn Autos zusammenkrachen und Menschen überfahren werden, treten dabei keine unsichtbaren und daher unheimlichen radioaktiven Strahlungen aus, die auch jene schädigen können, die am Unfall nicht direkt beteiligt sind. Zwar hat auch der Straßenverkehr eine unheimliche Seite. Das Unheimliche hier besteht darin, dass Unfälle unheimlich plötzlich passieren und niemand weiß, wann und wie er dann doch zu Tode kommt oder verletzt wird. Wenn sich die Menschen trotzdem auf die Straße wagen oder in ein Auto steigen, zeigt dies, dass sie mit Unheimlichem durchaus umgehen können, es muss ihnen nur vertraut genug geworden sein.

Sichererer Reaktortyp politisch unerwünscht

Wie der Flugverkehr sind auch Kernkraftwerke sehr sicher, zumal in Deutschland. Und in Ländern, wo sie vermutlich weniger sicher sind, könnten auch sie sehr sicher gemacht werden. Außerdem gibt es einen Typ Kernreaktor, der inhärent viel sicherer ist als die bestehenden Typen, den sogenannten Kugelhaufenreaktor. Die Idee dafür wurde in den Kernforschungsanlagen Karlsruhe und Jülich in Deutschland entwickelt. Ausgerechnet der aber durfte dann nicht weiterentwickelt und schon gar nicht gebaut werden – politisch unerwünscht. Dabei hatte es zwei Versuchsreaktoren schon gegeben – in Jülich (1966 bis 1988) und in Hamm-Uentrop (1983 bis 1988). Einen kurzen Überblick zu seinen Vorteilen (aber auch zu den damals noch zu lösenden Problemen) findet man hier: http://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/2009/07/uber-nuklearenergie-nicht-wertend-zu.php

Ein Unglück wie gerufen

Die Tsunami-Katastrophe von Fukushima, die wegen mangelhafter Sicherungsvorkehrungen auch zu einer Katastrophe der dort an der Küste stehenden Kernkraftanlagen geworden ist, hat am 11. März stattgefunden, also vor gut drei Monaten. Sie ist aber hierzulande in Politiker-Äußerungen und in den Medien noch immer ein allgegenwärtiges Thema – weniger dann allerdings die vielen tausend Toten, die von der Riesenmeereswelle ertränkt oder erschlagen wurden, als vielmehr die zerstörten Kernkraftanlagen. Das passt besser in die politische Bevormundung, nicht nur den schon beschlossenen, sondern nun auch den noch schnelleren Ausstieg aus der Versorgung mit Kernkraftstrom den Wählern zwingend erscheinen zu lassen. Das Unglück kam wie gerufen. Aber noch 2007 hatte Angela Merkel im Bundestag versichert, sie werde „nicht zulassen, dass man in Deutschland die KKW abschaltet und sich dann wundert, dass wir kein Energieerzeugerland mehr sind“ (Berliner Tagespiegel vom 27. Dezember 2007). Zwar hat es durch diese Zerstörung der Fukushima-Kernkraftanlagen keine nachgewiesenen Todesopfer gegeben, aber Strahlenschäden an Menschen sind immerhin wahrscheinlich. Ob wirklich und wie viele strahlengeschädigt sind, muss sich noch genau herausstellen.

Auch Biogasanlagen können explodieren

Aber so sehr Fukushima eine schreckliche und außergewöhnliche Katastrophe ist und daher eine entsprechend große und länger währende Aufmerksamkeit rechtfertigt, so fällt doch auf, wie schnell vergessen wird oder gänzlich unbeachtet bleibt, dass auch Biogasanlagen explodieren können, und zwar ohne äußere Einwirkung durch eine Riesenwelle oder durch einen (in unseren Breiten eher wahrscheinlichen) Orkan. So immerhin geschehen im Dezember 2007, als so eine nagelneue Anlage in Riedlingen schon nach zwei Betriebstagen explodiert ist – aus welchen Gründen auch immer. Die Stuttgarter Zeitung (Ausgabe vom 17. Dezember 2007) hat berichtet, die Trümmer und 4000 Kubikmeter Biomasse seien mehrere hundert Meter weit geschleudert worden, und das benachbarte Blockheizwerk habe Schäden davongetragen. Einen schweren Unfall mit vier Toten hat es auch in einer Biogasanlage im niedersächsischen Rhaderstedt bei Zeven gegeben, geschehen am 9. November 2005. Die Menschen starben an einer Vergiftung durch Schwefelwasserstoff (http://www.netzeitung.de/vermischtes/366976.html). Ursache soll eine defekte Klappe über der Vorgrube der Anlage gewesen sein.

Warum werden nicht auch alle Biogasanlagen gleich stillgelegt?

Dagegen ist in 45 Jahren Kernenergienutzung in Deutschland noch kein Mensch Opfer dieser Technik geworden. Wo bleibt die Forderung der Grünen und der anderen Politiker, die sich grün nun fast sämtlich angestrichen haben, alle Biogasanlagen in Deutschland sofort stillzulegen? Wenn sich in einem Kernkraftwerk nur eine kleine Schraube selbst außerhalb des Reaktors gelockert hat, wird das zu einem Ereignis aufgebauscht, als seien Anlage und Umgebung höchster Gefahr ausgesetzt, und im Blätterwald liest man auf der ersten Seite Schlagzeilen wie „Unfall in Atomkraftwerk“.

Entscheidend ist: Wie wahrscheinlich ist ein Unglück

Voller Risiken steckt unser ganzes Leben. Doch können wir sie teils minimieren, teils sehr gut beherrschen teils ihnen ausweichen. Aber ausschließen, dass Ungemach nicht trotzdem geschieht, können wir nicht. Möglich ist alles, selbst das Unwahrscheinliche. Auch der wirkliche, große Kernkraftunfall. Entscheidend dafür, dass wir uns sicher genug fühlen, ist, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Unglück eintritt. Kernkraftwerke mit „einem größten anzunehmenden Unfall“, kurz GAU genannt, gehören in die Kategorie der sehr geringen Wahrscheinlichkeit. Aus der Stromerzeugung durch Kernkraft auszusteigen, ist – an dieser Wahrscheinlichkeit und an den überaus teuren Folgen gemessen – so töricht wie verantwortungslos. Deutschland (neben den höchstgefährlichen Euro-Rettungsaktionen) auch hiermit zu ruinieren, müsste ein zu ahnender Straftatbestand sein.

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