Das Geld, das die Deutschen nicht wollten
Das gigantische Rettungsversprechen der EU-Finanzminister vom 8. Mai 2010 gegen den Bankrott überschuldeter Euro-Staaten mit Hilfe neuer Schulden ist der Sprengstoff für die EU-Währungsunion. Mit diesem Rechtsbruch gegenüber der Non-Bail-Out-Klausel des EU-Vertrages sind wohl wirklich die letzten Jahre des Euro angebrochen. Das nämlich ist auch der Titel des Buches von Bruno Bandulet.*) Es geht darin um „das Geld, das die Deutschen nicht wollten“, das ihnen aber von der „Politischen Klasse“ geradezu aufgezwungen wurde. Das Buch sei ein Bericht, besagt der Untertitel. Er ist auch das, aber zugleich wird das unsägliche Geschehen eindeutig kritisch kommentiert.
Aufgezwungen mit Rechtsbruch, Betrug und Täuschung
Fachleute hatten die Politiker damals vor diesem Euro gewarnt. Bandulet, auch er ein „Euro-Kritiker der ersten Stunde“, erinnert daran gleich am Anfang: „Entsetzt kann man schon sein, wie bedenkenlos sich deutsche Politiker bei der Einführung des Euro über sämtliche Argumente und Warnungen der angesehensten Ökonomen hinweggesetzt haben, wie leichtfertig die deutsche Verfassung zurechtgebogen wurde, wie skrupellos die dem Wähler gegebenen Versprechen gebrochen wurden.“ Bandulet schreibt: „Ohne Rechtsbruch, Betrug und Täuschung wäre die Einführung des Euro als Buchgeld 1999 und als Bargeld 2002 gar nicht möglich gewesen.“
Ein weiterer Totengräber des Euro
Aber es ist nicht nur der Rechtsbruch vom Mai, der zum Zerfall des Euro führen wird. Totengräber ist auch das westliche, das wahrhaft „kapitalistische“ Geldsystem. Es ist die Politik des durch nichts mehr gedeckten Geldes mit ihrer dadurch möglichen und schließlich nicht mehr beherrschbaren Verschuldungsorgie. Wegen dieses ungedeckten Schuldengeldes, so konstatiert auch Bandulet, „musste die Krise, die 2008 von den USA ausging, schließlich auch die Kunstwährung Euro erschüttern“. Erst die Auswirkungen der Finanzkrise hätten die inneren Widersprüche der Währungsunion zutrage treten lassen und Griechenland, den ersten Dominostein, zu Fall gebracht.
Bei ungedecktem Geld sind Krisen unvermeidlich
Die Überschrift zu den sieben Buchkapiteln lauten: Der Anfang und der erste Dominostein, Die Dämonie des Geldes, Der Weg nach Maastricht, Der Kampf um den Euro, Der Euro im Spiel der Mächte, Die Falle und Die letzten Jahre des Euro. Der Leser erfährt, wie das wirtschaftlich kleine Griechenland die Euro-Krise lostreten konnte und welche trübe Rolle die amerikanische Investment-Bank Goldman Sachs dabei spielte. Ihm wird erklärt, wie das Euro-System funktioniert, wie durch bloße Kreditvergabe Geld geschaffen, wie inflationiert wird, dass es zwei Arten von Geld gibt, warum Krisen die unvermeidliche Folge dieses Systems sind, wie es dazu kam, dass Helmut Kohl die D-Mark opferte und ob der Euro wirklich der deutsche Preis für die Wiedervereinigung war und wie die Bundesbank entmachtet wurde.
Wie die Deutschen ausgetrickst wurden
Der Kampf um einen harten Euro wurde, so schreibt Bandulet, nicht erst 2010 verloren, sondern eigentlich schon in den 1990er-Jahren, „als die Konferenz von Dublin mit einer Niederlage für Deutschland und den damaligen Finanzminister Theo Waigel endete“. Die Deutschen mit ihrem Verlangen nach Stabilität und den Konvergenzkriterien im Vertrag von Maastricht wurden ausgetrickst, vor allem von Frankreich. Bandulet schildert die Hintergründe zum „verdeckten Währungskrieg“ zwischen Dollar und Euro, welche Einflüsse die Wechselkurse bewegen und warum Dollar und Euro nur relative Größen sind. Man liest vom Machtgefüge und von der Ideologie der EU, in die der Euro von Beginn eingebunden war. Auch davon, dass es durchaus Alternativen gab, obwohl die politische Führung gern behauptet, es gebe keine.
Eine mögliche Alternative
Auch jetzt gibt es Alternativen. Bandulet kann sich eine „für die politische Klasse am ehesten akzeptable“ vorstellen. Sie bestünde darin, den Euro beizubehalten, weil er nun schon einmal da sei, und parallel dazu die nationalen Währungen wieder einzuführen – zunächst als Buchgeld, dann nach einer Übergangszeit als Bargeld. Anschließend könne der Markt entscheiden, welches Geld sich durchsetze, welches sich besser als Wertaufbewahrungsmittel eigne und in welchem Außenhandel und andere Zahlungen abgewickelt würden.
Aus dem Traum wurde ein Albtraum
Am Ende des Buches zieht Bandulet eine Bilanz des „Krisenmonats Mai“ 2010, der die Notstandsmaßnahmen und Rettungspakete den Euro-Staaten beschert hat. Sie machten die Währungsunion zu dem, was sie nach deutscher Vorstellung nicht hatte sein sollen: zu einer Haftungsgemeinschaft. So ist nach den Worten Bandulets „aus dem Traum von einer stabilen Europawährung ein Albtraum geworden“ und das, was die deutschen Politiker den Deutschen versprochen hatten, ein gebrochenes Versprechen. Bandulet nennt es Verrat, Verrat an der deutschen Geldtradition.
Ein „gutes Geld“ ist politisch unerwünscht
Mit der politischen Entscheidung, die Euro-Währungsunion, „koste es, was es wolle“, zu verteidigen und kein Mitgliedsland hängen zu lassen, steht die wirklich große Finanz- und Währungskrise erst noch bevor und mit ihr ein Zusammenbruch. Zu hoch ist die allgemeine Staatsverschuldung, neue Schulden kommen weiter hinzu, und eine Abkehr von der Politik des schlechten ungedeckten Geldes zurück zum einstmals guten sachwert-gedeckten Geld ist politisch völlig unerwünscht, daher wohl noch lange nicht durchsetzbar, also nicht in Sicht.
In hundert Jahren schon drei Währungsreformen
Was daraus dann entsteht, ist ungewiss. „Szenarien“ dafür werden längst entworfen. Was davon eintritt, entzieht sich dem heutigen Wissen ebenfalls. Bandulet malt einiges davon aus und erinnert daran, dass die Deutschen in den zurückliegenden hundert Jahren schon dreimal von einer Währungsreform heimgesucht worden sind: 1914, als mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Goldstandard der Währung aufgegeben wurde (sonst hätte der Krieg nicht finanziert werden können), dann 1923, als mit der Hyperinflation und dem Neubeginn verloren ging und nach dem Zweiten Weltkrieg 1948, als die Geldguthaben auf weniger als 10 Prozent zusammenschmolzen.
Drei Ratschläge
In einem Nachwort reicht Bandulet nötiges Basiswissen für ein Grundverständnis dafür weiter, wie Finanzmärkte funktionieren und was grundsätzlich von welchen Anlagemöglichkeiten zu halten ist. Stichworte dazu sind Liquidität, Anleihen, Immobilien, Aktien, Fremdwährungen, Gold. Darin enthalten sind drei allgemeine Ratschläge: Erstens: „Unterliegen Sie nicht der Geldillusion.“ Zweitens zitiert er Andre´ Kostolany: „Merken Sie sich, die Bank ist nicht Ihr Freund.“ Bandulet fügt noch hinzu: „Merken Sie sich: Der Staat ist nicht Ihr Freund.“ Drittens: „Meiden Sie Modetrends, halten Sie Ihr Portfolio übersichtlich und einfach.“
*) Bruno Bandulet: Die letzten Jahre des Euro. Ein Bericht über das Geld, das die Deutschen nicht wollten. Kopp-Verlag, Rottenburg 2010. 207 Seiten. 19,95 Euro.