Protestwähler sollten auch an die kleinen Parteien denken
Nur noch wenige Tage bis zu Bundestagswahl am 27. September. Aber was wählen, wenn CDU/CSU, SPD und FDP nicht mehr überzeugen, und Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ohnehin nicht in Frage kommen? Und dann bei den Frustierten der Eindruck: Es nützt ja doch nichts. Bisher schlug sich der Verdruss meist darin nieder, dass die, die mit „ihrer“ Partei oder mit „der Politik“ haderten, den Wahlgang einfach verweigerten, die Wahl boykottierten. Dies droht auch jetzt wieder. Und es scheinen mehr zu werden. Nach jüngster Allensbach-Demoskopie sind 35 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschlossen, ob sie an der Wahl teilnehmen. Und ebenso viele sind sich noch immer nicht schlüssig, welcher von diesen fünf etablierten Parteien in welcher Kombination sie ihre beiden Stimmen geben sollen.
Warum der Wahl fernbleiben töricht ist
Aber nicht zur Wahl gehen ist töricht. Dann nämlich müssen es sich diese Wahlboykotteure gefallen lassen, mit denjenigen Bürgern in einen Topf geworfen zu werden, die den Gang zur Wahlurne deswegen nicht antreten, weil diese anderen zu bequem, gleichgültig und politisch desinteressiert sind. Und die Politiker der etablierten Parteien werden alle diese Nichtwähler für sich vereinnahmen und deren Wahlverweigerung ungeniert als Zustimmung für ihre Politik umdeuten: Für sie ist, wer an der Wahl nicht teilgenommen hat, zufrieden und mit der Politik einverstanden. Das sollte man dem politischen Establishment nicht gönnen.
Auch ungültige Stimmen machen Sinn
Wer also die Wahl boykottieren will, sollte trotzdem wählen gehen. Er muss ja niemanden wählen, wenn er nicht mag und keine Partei seine Stimme verdient, sondern kann den Wahlschein ungültig machen. Er kann ihn durchstreichen. Er kann etwas draufschreiben, zum Beispiel „Ihr könnt mich alle mal“. Oder noch Unfreundlicheres. Dann ist sein Wahlschein ungültig, dann hat er gewählt, nur keine Person und keine Partei. Aber er hat am Wahlgang teilgenommen und kundgetan, was er von den Parteien, ihren Programmen, ihrer Politik, diesem Wahlsystem, dieser Scheindemokratie hält. Doch seine Wahlbeteiligung wird in der Wahlstatistik erfasst und offen ausgewiesen, als ungültige Stimme.
Der gute Zweck von ungültigen Stimmen
Je mehr ungültige Stimmen, um so deutlicher das Signal an die etablierten Parteien, wieviele mit ihnen nichts mehr zu schaffen haben wollen, wieviele sie für untauglich halten, auf welchen Widerstand die Etablierten inzwischen stoßen. Man stelle sich vor: Alle Wahlberechtigten nehmen an der Wahl tatsächlich teil. Dann wäre die Wahlbeteiligung 100 Prozent. Gewiss, das ist noch nicht vorgekommen und wird es wohl auch nicht. Also eine Utopie. Aber angenommen, es käme dazu und nach der Auszählung ergäben sich an absichtlich ungültigen Stimmen 35 Prozent (oder gar mehr?), dann wäre offenkundig: Schon so hoch ist die Zahl der Protestwähler. Allenfalls CDU/CSU könnte mit dieser Zahl mithalten. Keine Partei könnte mehr von den 35 Prozent sagen, diese Bürger hätten sich an der Wahl deswegen nicht beteiligt, weil das Wetter zu gut war, das Wetter zu schlecht war, weil sie einfach zu bequem oder mit der Politik zufrieden seien. Denn beteiligt haben sich diese Bürger, nur niemanden gewählt. Und schon wäre das in Medien und Politik der Gesprächsstoff. Die 35 Prozent als eigentlich zweitstärkste „Partei“ müssten politisch wahrgenommen werden, zum Nachdenken und zur (Rück-)Besinnung führen.
Auch die eine oder andere Kleinpartei ist wählbar
Andererseits, wer protestieren will, muss seinen Stimmzettel keineswegs ungültig machen. Er kann sich doch endlich auch einmal die kleinen Parteien näher ansehen und einer von ihnen seine Stimme geben. Zwanzig sind es immerhin, wenn sie auch nicht in jedem Bundesland mit einer Landesliste zur Wahl antreten. Aber die mediale Aufmerksamkeit galt und gilt immer nur den fünf etablierten Parteien. Was bieten eigentlich die Kleinen an? Was steht in ihren Programmen drin? Wie treten sie auf? In den üblichen Medien kann man darüber nur selten etwas erfahren. Dabei sind sie als ein Warnzeichen für den zunehmenden Verdruss über die Altparteien und deren Politik unübersehbar. Gewiss, es sind Sektierer darunter, manche sind wirklich nur eine Splittergruppe, auch Diffuses, Versponnenes und Abseitiges ist dabei, aber eben auch Ernstzunehmendes.
Mit der nötigen Information kann das Internet aushelfen
Um Information über die Kleinparteien muss man sich allerdings selbst bemühen, die üblichen Medien kommen ihrer Informationspflicht entweder gar nicht oder nur ungenügend nach. Aber das Internet kann aushelfen. Alphabetisch geordnet sind es Allianz der Mitte (ADM), Bayernpartei, Bürgerbewegung Solidarität (BüSo), Christliche Mitte (CM), Die Violetten, Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Deutsche Volksunion (DVU), Familien-Partei, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD), Die Nationalen (NDP), Ökologisch-Demokratische Partei (ödp), Partei Bibeltreuer Christen (PBC), Piraten-Partei, Partei für soziale Gerechtigkeit (PSG), Rentner-Partei, Republikaner (REP), Renerinnen- und Rentner-Partei (RRP), Tierschutz-Partei, Volksabstimmung und
Zentrum.
Alternativen für enttäuschte Unions- und FDP-Anhänger
Etliche dieser Kleinen beschränken ihr Programm auf einige Schwerpunkte, wie teils schon ihr Name verrät. Das genügt natürlich nicht. So manche Protestwähler neigen den Piraten zu, aber auch deren Programm ist zu sehr unvollkommen. Enttäuschte Anhänger von Union oder FDP könnten sich als Protestwähler vielleicht mit der Deutschen Volksunion (DVU) oder den Republikanern (REP) anfreunden. Es ist jedenfalls besser, eine konservative, eine „rechte“ Partei zu wählen, wenn man Union und FDP zur Besinnung bringen und auf den politischen Tugendpfad zurückführen will, als eine sozialistische wie Die Linke. Und warum nicht auch ihnen Auftrieb und eine Chance geben. Die Grünen haben einst ebenfalls klein angefangen. Anders als uns eingeredet wird, sind diese Stimmen keineswegs „verloren“. Sie sind für die etablierten Parteien verloren. Eben das sollen sie doch gerade.
Wann eine Stimme wirklich verloren ist
Wer nicht wählen geht, darf danach nicht empört bejammern, was die Gewählten mit ihm und seinem Land anstellen, also Deutschland weiter herunterwirtschaften und ruinieren. Wer nicht wählt, gibt ein Recht auf, ein Freiheitsrecht. In früheren Jahrhunderten haben es sich die Menschen unter Opfern erkämpfen müssen. Nehmen sie es nicht wahr, werden sie es wieder verlieren. Daher ist dieses Recht eine Pflicht – gegenüber sich selbst, für alle, für das Land, die Nation.
Daher mein Appell: Machen Sie mit Ihrem Wahlschein, was Sie wollen, aber nehmen Sie an der Wahl teil. Wirklich verloren ist Ihre Stimmer nur, wenn Sie gar nicht wählen gehen.